Noch ist es nicht ganz zu Ende, noch sind eine Hand voll Tage übrig, NOCH…
Den theatralischen Abschied haben wir jedoch schon hinter uns. Die Inga fliegt am 12.12. von Delhi nach Hamburg, ich dagegen am 14.12. von Chennai nach Frankfurt. Die beiden Städte sind eine gute Ecke (24 Zugstunden(mindestens)) voneinander entfernt, also haben wir uns schon verabschieden müssen, als wir uns von Darjeeling verabschiedet haben. Das heißt: Heute gibt es zwei Geschichten. Inga erzählt von ihrer Zeit im tibetischen Viertel in der Hauptstadt, von Laurence und dem weißen Schal, ich verlier ein paar Worte über den Vergleich Chennai am Anfang vs. Chennai am Ende der Reise, einer krassen Zugparty und Brendan, dem irren Iren 🙂
Okay, wenn man mehr als 4 Monate absolut jeden Tag zusammen verbracht hat, dann ist der näherrückende Abschied schon mehr als ein flaues Gefühl… Die Deja-Vus am letzten Tag in Darjeeling häuften sich. Das Packen der Taschen, der sehnsüchtige Blick vom Dach des Hotels, den man heute zum letzten Mal sieht (und der sich nochmal von seiner allerbesten Seite zeigt im Sonnenaufgang), die hektische Planung der Abreise, der Abschied von der Hotelbelegschaft, die wir mittlerweile doch recht gut kannten, die letzte, unruhige Nacht, der Aufbruch in aller Frühe, die Verhandlungen mit dem Jeepfahrer und schließlich die Abfahrt… alles schon einmal gesehen. Neu dagegen war die Besetzung des Jeeps. Mal ehrlich, wir haben ja schon recht viel erlebt, was die Kapazität indischer Fahrzeuge betrifft – von außen. Zum erstem Mal waren wir mittendrin, als der Platz knapp wurde und der Gehilfe vom Fahrer (der für das Auf- und Abladen des Gepäcks auf dem Dach zuständig war) es sich auf meinem Schoß bequem machte. Ich war müde, mir war es relativ egal, aber ich kann daher heute auch nicht mehr sagen, ob wir nicht ein klein wenig gekuschelt haben und ob mehr daraus werden könnte 😉
Immerhin: Wir kamen an, und zwar pünktlich, ein bisschen zu pünktlich vielleicht.
Abschiede bringt man am besten schnell hinter sich, aber das ist nicht so einfach, wenn man noch stundenlang am Bahnhof wartet…
Was macht den Abschied eigentlich so schwer? In unserem Falle war das zum größten Teil dadurch begründet, dass wir uns noch nie in Indien allein gefühlt hatten. Egal, was gerade schief lief, wir konnten uns immer aufeinander verlassen und uns unterstützen. Wenn einer grad gar nicht mehr weiter wollte, dann war der andere da zum gut Zureden und hat den gefühlstechnischen Wiederaufbau betrieben. Das war wichtig, in einem Land, dessen Kultur man besonders am Anfang nicht einschätzen konnte, in dem man recht rudimentäre Verständigungsmöglichkeiten benutzen musste und in dem man niemanden kannte. Die Vorstellung ,dass ausgerechnet diese Unterstützung jetzt wegfallen sollte, war schon ein wenig bedrückend…
Wie auch immer, wir vertrieben uns die Zeit am Bahnhof mit einem indischen Snack aus Marmorkuchen (Zucker, nichts als Zucker), Mangosaft (Zucker, nichts als flüssiger Zucker) und Chips (ungesund, aber zuckerfrei 😉 ), tauschten Erinnerungen und Zukunftsvisionen aus und drückten uns schüchtern näher an den Bahnsteig, wo Inga dann schließlich in den Zug sprang und abfuhr.
Weils so schön war- Ein letztes Mal Darjeeling
Roberts letzter Trip 😉
Und schon war ich allein, auf dem Bahnsteig in New Jalpaiguri. Was gibt es schöneres als warten, wenn man keine Ahnung hat, wo der eigene Zug fährt und vor allem wann er das tut? Ich stopfte mir dem mp3-Player so tief in die Ohren, dass er alle flauen Gedanken buchstäblich zerquetschte und drehte voll auf. Allein in Indien ist doch Mist…
Aber allein in Indien ist kurzer Mist. Es dauerte keine Stunde, da unterhielten sich immer wieder neue Menschen mit mir, erzählten mir von ihren Jobs und Familien, von ihrer Meinung zur politischen Situation in Darjeeling (die Forderung nach Unabhängigkeit wird lauter, dementsprechend werden die Sicherheitsvorkehrungen strenger und die Versorgung dünner, es ist ein wenig erschreckend – und jeder erzählt etwas anderes darüber, wie die Unabhängigkeit aussehen soll, aber kaum einer hat nen Plan), von Gott und der Welt und vielen anderen Dingen erählten, für mich Lautsprecherdurchsagen entzifferten und mit mitteilten, wann und wo mein Zug fuhr, mir Räucherstäbchen schenkten und mein kindisches Zittern gegen die Erfahrung ersetzten, dass man in Indien wohl kaum allein ist. Allein fiel es mir übrigens leichter, Gespräche anzufangen und ich wurde öfter und vor allem weniger oberflächlich angesprochen – das mag daran liegen, dass der Inder Inga und mich als Paar wahrnahm und deswegen etwas Abstand hielt.
Der Zug war zu spät, aber er fuhr, und ich stieg ein. Ich hatte ziemliches Glück, dass mein Waggon ausgerechnet von einer indische Hochzeitsgesellschaft belagert wurde. Es war herrlich. Indische Hochzeiten sind ja mehrere Tage (10 oder so) lang, und die Leute fuhren durch verschiedene Städte zum Feiern. Um den Zeitplan nicht zu kompliziert zu gestalten, feierten sie auf den Fahrten dazwischen einfach im Zug weiter, mit verbotenem Alkohol (der darf an öffentlichen Orten nicht konsumiert werden) und noch viel verboteneren Substanzen 😉 Nach ein paar Eisbrecherpromille spielten wir Trommel, sangen, füllten die Handys aller Beteiligten kontinuierlich mit allerlei dämlichen Fotos vom neuen Freund aus Good Old Germany, aßen vom Feinsten und taten alles erdenklich mögliche dafür, dass der Kater am nächsten Morgen möglichst grausam sein möge. Es war herrlich. Leider war im nächsten Waggon ein Ex-Militär, der Touris anquatschte und versuchte, auf die eine oder andere Weise an ihr Geld zu kommen. An mich kam er zum Glück Dank zahlreicher neuer Freunde nicht heran, aber ein bisschen auf die Stimmung schlug er trotzdem. Keine Ahnung ob er bewaffnet war oder was er gemacht hätte, wenn ich mit ihm mitgegangen wäre, aber schon die Tatsache, so einen Typen in der Nähe zu haben, nervt ja wohl.
Die Fahrt ging wie alles schöne zu Ende, und die Leute bedauerten es sehr, dass ich ihren Partymarathon nicht weiter mitmachen konnte. Ich übrigens auch, ich wette, es wäre sehr lustig geworden. Als korrekter Deutscher zog ich aber meinen Anschlusszug dem Anschluss an die indische Gesellschaft vor und war nach einem kurzen Stop in Kolkatta (richtig seltsames Gefühl, allein durch die Straßen zu schlendern, wenn man immer zu zweit hier war) unterwegs nach Chennai, wo ich vor mehr als 4 Monaten müde, verschreckt und voller Erwartungen angekommen war… es war ein seltsames Gefühl in einen Waggon mit gepolsterten Sitzbänken zu steigen und einen für mich reservierten Platz zu besetzen, obwohl ich vorher am Bahnsteig noch mit den Passagieren der „Holzklasse“ geredet hatte. Diese jungen Kerle standen in einer kilometerlangen Schlange vor dem Zug in der Hoffnung, dass sie erstens mit hineinkommen und zweitens am Zielort einen Job finden, der sie selbst und bestenfalls noch ihre Familien durchbringt. Keine guten Chancen, wenn man bedenkt, das täglich Tausende von Arbeitssuchenden genau das selbe tun. In der Holzklasse, wo sie manchmal sitzen, eher stehen und eventuell auch nur draußen an der Tür hängend mitfahren, verkaufen auch nicht ununterbrochen Händler Essen. Bei mir kamen sie dagegen in entnervender Häufigkeit vorbei, mixten Salate, gossen Tee auf und schälten Eier…
Im Zug traf ich dann auch Brendan aus Irland, seines Zeichens langjähriger Traveler von überall und nirgendwo, auf Erkundungstour durch eine Stadt, in der es nichts zu erkunden gab, wie er später herausfand. Immerhin, ich fand in ihm einen Zimmergenossen und war wieder einmal nicht allein.
Brendan
Am Anfang im August war uns Chennai ja doch recht nervig vorgekommen, exotisch bestimmt, aber eher abschreckend. Es war zu voll, zu laut, zu hektisch und zu dreckig, die Menschen waren fremd und das gleiche dachten unsere Mägen vom Essen. Als ich nun mit und ohne Brendan durch die Straße spazierte und zeichnete, schienen plötzlich alle zu lachen, der Dreck fiel nicht weiter auf, dafür aber das bunte Gemisch aus Menschen und Umgebung, das wirklich leckere Essen und die allgemein gute Stimmung. Sicher, touristisch ist Chennai nicht viel wert, und jeder Rikshafahrer, der einen anspricht, scheint ganz selbstvertändlich davon auszugehen, dass man zum Flughafen möchte, denn welches Ziel könnte man schon haben außer weg, weg und nochmals weg? Brendan war davon auch recht genervt, er maulte die Leute an und wunderte sich über ihre negative Reaktion, er wollte Indien entdecken und merkte nicht, dass er mittendrin stand, mittendrinner denn je quasi 😉
Wir haben einen Spaziergang gemacht, um Cafés, Tempel, oder sonstwas zu finden, und nichts war da, wo es sein sollte, aber die vollen Straßen, wo die Menschen eher zu improvisieren als eigentlich zu fahren scheinen, die randvollen Obststände, wo „Feilschen!“ auf dem Preisschildern steht, das seltsame Ensemble aus beinlosen Bettlern, benachthemdeten Muslimen, Polizisten, buddhistischen Mönchen und einer schier endlosen Masse an schlanken gutaussehenden Typen in Hemd und Jeans, von denen niemand zu wissen scheint, was sie nun eigentlich hier zu suchen haben… das war einfach ein runder Abschluss, und ich hab mich ziemlich wohl gefühlt dazwischen. Besondere Erlebnisse? Nö, eigentlich nicht. Ein paar nette Filme am Abend (das erste Mal, dass ich den Hotelfernseher in Aktion erlebt habe), ein paar Schritte vor der Tür, ein paar nette Skizzen von Leuten, mit denen ich ins Gespräch kam.
Es war einfach entspannt und schön, und diese Stimmung hätte ich auch mit nach Hause genommen, wäre da nicht…
Wäre da nicht ein Päärchen Typen in Uniform gewesen, die der Meinung waren, ich müsste beweisen, dass ich das Recht hatte, die Eincheckhalle zu betreten. Leider konnte ich mein Onlineticket nicht wirklich vorzeigen, weil nämlich das Tolle an dem Ticket ist, dass man’s nicht mit sich rumtragen muss. Das war aber anscheinend noch nicht bis zu dem ollen Pistolenschwinger durchgedrungen, auch das Argument, dass ich ja wohl spätestens am CheckIn rausfliege, wenn ich nicht auf der Passagierliste stehe, zählte nix… Also, nehmt immer einen Ausdruck der Bestätigung eures Onlinetickets mit, um den Stress (und die horrenden Internetcafégebühren am Flughafen, plus Ausdruck; ein Glück dass ich noch ein bisschen Geld dabei hatte 🙂 ) zu vermeiden.
Naja, so ein Interkontinentalflug kühlt das Gemüt wieder ab, zumal man bereits im Flugzeug endlich wieder bedenkenlos Fleisch essen konnte. Dementsprechend war ich auch wieder besser gelaunt, als ich in heil und gesund ankam, noch besser wurde es, als meine Eltern mich wie versprochen tatsächlich abholten, aber der absolute Hammer war es, dass sie auch noch Freunde von mir dabei hatten und ich meine eigene Mini-Willkommensparty am anderen Ende von Deutschland bekam. Vielen Dank dafür, und wenn ich schon dabei bin, auch danke an alle Unterstützer, Gutzureder, Päckchen- und Briefeschicker und natürlich die Mitleser!
Das beste Fortbewegungsmittel überhaupt 🙂
Und nun zu Inga:
Ich hab meine letzte Zugfahrt ganz dekadent in der ersten Klasse verbracht- Zumindest dachte ich das! Wie sich im Nachhinein herausstellte war es eigentlich die dritte und damit günstigste Klasse dieses (wie ich nicht wusste) sehr besonderen Zuges. Mein Hauptziel war es nach Delhi zu kommen und dieses verhältnismäßig teure Ticket war das einzige, das ich kriegen konnte.
Der Zug ist, wie ich im Nachhinein erfuhr, aber sehr bekannt für seine Sicherheit und besonderen Luxus und man muss normalerweise Wochen vorher das Ticket bestellen, um überhaupt eines zu bekommen- All dies wusste ich nicht und hatte deshalb einfach Glück.. Im Nachhinein wundert es dann aufgrund des Sicherheitsaspektes auch nicht mehr, dass etwa 20 Militärs mit riesengroßen Kniften mit einstiegen und vor Beginn der Fahrt durch alle Waggons streiften. Die Fahrt geht unter anderem durch Bihar, dem ärmsten und gleichzeitig instabilsten Bundesstaat Indiens.. und auch gefährlichsten, da hier die maoistischen Rebellen besonders aktiv sind und besonders gern Züge überfallen. Da kann es auch mal passieren, dass der Zug die ganze Nacht nicht fährt, da Gleise sabotiert wurden usw. Bei mir ging aber alles gut und auch ich hatte genug Gesellschaft, die im Zweifelsfalle geholfen hätte!
Nun was unterscheidet diesen Zug von anderen? Zunächst hat er Türen, die während der Fahrt geschlossen sind.. Es gibt also keine Essens-, Chai- und was-es-sonst-so-alles-gibt-Händler die an den Stationen zusteigen und verkaufen (sehr schade!) und mein Plan nach Ablage des Rucksacks nochmal schnell auf den Bahnsteig zu hüpfen und im Zweifelsfall wieder aufzuspringen wenn der Zug losfährt (was sonst kein Problem und äußerst spaßig war) ging damit auch nicht auf.. Auch das sonst übliche Rauchen während der Fahrt an der offenen Tür wurde den Rauchern damit verleidet.. Weiterhin gab es für jeden Bettlaken, Bettdecke, und Kissen. Außerdem natürlich eine Klimaanlage und Vorhänge vor den Betten, so dass man sich zurückziehen konnte.. und dann gab es Essen! inklusive! unerwartet und niemals vorher gesehen! und es hat tatsächlich auch noch geschmeckt! Alles inklusive bei 24 Stunden Fahrt und das für ungefähr 30 Euro- die deutsche Bahn sollte sich wieder mal..-aber lassen wir das.
Ach ja wie angedeutet war dies „nur“ die dritte Klasse. Hier gab es ganz normal 6 Betten auf der einen Seite und zwei gegenüber.. In der zweiten Klasse gibt es wohl jeweils nur noch zwei statt drei Betten übereinander und in der ersten Klasse sogar Einzelkabinen.
So saß ich dann nach kurzer Diskussion über richtige Platznummern und dem Verstauen meines bis zum Rand gefüllten Riesen-Rucksacks allein im Zug in die Riesenstadt Delhi, vor der es mir zugegebenermaßen ein wenig graute.. Zumal ich noch kein Hotelzimmer gebucht hatte und wie Robert schon sagte- eben allein war ;O)
Aber auch bei mir währte dieser Zustand nicht allzu lange.. Ich saß da und schaute aus dem Fenster, emotionsüberladen und sentimental, und konnte mir die Tränchen kaum verdrücken. Dieser Anblick, die weiten Felder, die Menschen in den bunten Saris, die Tiere, die Palmen, die Berge, die Flüsse- all das zum letzten Mal! -Da kann man schon mal melancholisch werden! und dies war ich sehr, zumal ich doch eigentlich noch gar nicht so recht zurück nach Deutschland wollte! Das rief nun mein Gegenüber auf den Plan. „My dear, you´ll have to explain me why you´re crying“ sagte er und so kamen wir ins Gespräch. Er war ein älterer Herr mit dunkler Haut, grauen Haaren und weißem Bart und einer Reibeisenstimme, die sich gewaschen hatte. Erste Vermutung- Der Mann muss Jazz mögen und machen, Singen und Saxophon spielen. Ob das der Fall war, habe ich nicht rausgefunden, dafür aber einiges anderes. Krishnan (so hieß er) kam aus Mauritius und hat schon die ganze Welt bereist, seine Jugend verbrachte er aber in Indien und dort zog es ihn immer wieder hin.. Wenn er nicht durch die Gegend reist macht er irgendwas mit Geld und Banken und Politik und vor kurzem wurde ihm eine Ministeriumsstelle auf Mauritius angeboten.- wer weiß vielleicht habe ich ja mit dem zukünftigen Prime-Minister von Mauritius gesprochen 😉
Wir sprachen über vieles, Indien und die Welt, diskutierten, philosophierten über das Leben- Seine Lebensphilosophie: „Be happy to make others happy!“ So holte er mich raus aus der Melancholie und langsam blickte ich mit Vorfreude auf Delhi.. Beim Einfahren in die ersten Suburbs passierten wir übrigens einen Güterzug, voll mit Containern von „Hamburg Süd“! Ein Zeichen?! 😉
Ich hatte nun also gerade beschlossen, dass das mit dem Hotel schon nicht so schlimm sein wird und darauf zu vertrauen, dass wie Eva immer sagte „Alles im Fluss ist“, da tauchte kurz vor dem Bahnhof ein anderer Weißer auf, der mich fragte wohin ich will. Ich sagte wahrheitsgemäß „No Idea“… Er ging weg und tauchte kurz danach wieder auf und fragte ob ich nicht Lust hätte mit ihm ins tibetische Viertel zu kommen. Er würde dort jemanden kennen, der ein günstiges Zimmer besorgen würde. Dies klang für mich nach der Zeit im ebenfalls tibetisch angehauchten Darjeeling natürlich großartig und ich sagte ja. Und der Fluss floss! 🙂
Laurence ist Mitte 50/Anfang 60, Althippie, mit 23 das erste Mal in Indien gewesen und gleich für 5 JAhre geblieben.. Damals mit zwei Freunden, einer Katze und kiloweise Haschisch auf dem Fahrrad unterwegs.. Seine Freunde wollten nach Sri Lanka, er und die Katze sind weiter durch Indien geradelt.. Hier traf er seine große Liebe, eine Deutsche, die vorher auf den Opium-Plantagen in Afghanistan gearbeitet hatte und nun mit afghanischen Freunden durch Indien zog. Die beiden verliebten sich und zogen von dort an gemeinsam mit einem Ochsenkarren und sonst nichts zu Fuß durch Indien. Sie waren in Dörfern wo nie zuvor ein Weißer gewesen war, wurden manchmal gefeiert- manchmal aber auch verjagt und waren mehrere Jahre unterwegs bevor sie in einer Höhle ganz in der Nähe von Hampi (ja dort wo wir auch waren, die Stadt mit den vielen Tempeln) gelebt haben. Unterwegs haben sie geheiratet in einem kleinen Dorf, wunderbares Hochzeitsfoto mit langen Haaren und Rauschebart. 🙂
Irgendwann hatten sie aber gar kein Geld mehr und waren wirklich „broken“ wie er sagte und wollten zurück nach Europa. Dafür brauchte Laurence aber erstmal einen neuen Pass, er hatte nämlich keinen mehr.. Bei der englischen Botschaft (ach ja er ist Brite, aus Newcastle und lebt inzwischen in Kanada) erzählte er dann seine Geschichte- Die Antwort war „Ach Sie sind das!“ Inzwischen hatten er und seine Frau nämlich scheinbar einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht („Die Weißen die leben wie die Armen“) und waren in einigen Zeitungen beschrieben worden.. Naja jedenfalls bekam er seinen Pass und es ging zurück nach Europa, nur mit den Kleidern, die sie am Leib hatten und ein paar selbstgebauten Instrumenten, die nach der Landung nicht mehr auffindbar waren.. Vermutlich weil Laurence im Spaß zu einem Mitarbeiter am Flughafen gesagt hatte, dass dieses Bündel (ja ein Stoffbündel war es) besonders wertvoll wäre.
Long story short, sie zogen gemeinsam durch Europa, von Griechenland über Deutschland nach Frankreich und Spanien und dort stieg seine Frau eines Tages in ein Auto und ward nie wieder gesehen.. Die Reise nach Europa war mit einem Opium-Entzug für sie verbunden und er vermutet, dass dieser eine Schizophrenie ausgelöst hat.. Sie hatte Panikattacken, Wahnvorstellungen usw. Aber er ist überzeugt irgendwann wird er sie wiedersehen, auch wenn das alles schon mehr als 20 JAhre her ist. 🙂
Inzwischen hat er eine weitere Ex-Frau in Kanada, zwei Söhne, eine Freundin.. hat neben den besagten Ländern in Japan und Südamerika und in den USA und natürlich in Kanada gelebt.. und fährt immer wieder zurück nach Indien.
Irgendwann ist er zum Buddhismus übergetreten und hat nun zuletzt ein Jahr lang in Bhutan in einem buddhistischen Kloster gelebt und dort Englisch unterrichtet. Ich war die erste Weiße mit der er seit mehr als einem Jahr gesprochen hat! und er hat mich übrigens lustigerweise auch nur angesprochen, weil die Inder, die im Zug um ihn herumsaßen, ihm erzählten, dass da eine „western lady“ ganz allein im Zug säße und dass er sie doch mal fragen sollte, ob sie Hilfe bräuchte.
Warum erzähl ich das alles so genau? Es war einfach eine wunderbare Begegnung, bei der ich viel gelernt habe, unheimlich spannende Geschichten gehört habe und einfach eine Menge Spaß hatte. Und sehr sehr schöne Gespräche! Abgesehen davon hatte ich so die Möglichkeit das tibetische Viertel in Delhi kennenzulernen, wo ich sonst wahrscheinlich nie hingekommen wäre. Es ist ein ganz kleines Viertel zwischen großen Mauern, das mich doch sehr an Darjeeling erinnert hat. Dieselben Schals und Handschuhe an den Verkaufsständen, ähnlich aussehende Menschen, die selbe Offenheit, überall die Mönche in ihren roten Kutten und natürlich Gebetsfahnen.
Buddhistische Gebetsfahnen im Park
Hausbau
Hausbauer
Laurence zeigte mir auch den Tempel und erzählte mir einiges über den Buddhismus.
Die vier wichtigsten Männer des Buddhismus
..und auch er darf natürlich nicht fehlen!
Laurence an der Gebetstrommel- diese wird beim Verlassen des Tempels dreimal gedreht
Außerdem waren wir shoppen.. Ich hatte mir fest vorgenommen, nichts mehr zu kaufen, weil eh nichts mehr in meinen Rucksack passen würde-naja ich habe das Gegenteil bewiesen- Also wenn mal jemand Packhilfe braucht, würde behaupten ich bin Meisterin! ;O)
Unser Hotel, wo wir in nem kleinen Schlafsaal schliefen, war genau am zentralen Platz im „tibetan quarter“, direkt gegenüber vom Tempel. Als wir ankamen, war grad ein kleines Volksfest auf dem Platz. Es wurde gegessen, gelacht und gewettet. Vor allem gewettet, Alles stand versammelt um ein Brett und setzte Geld auf Symbole die gewürfelt wurden. Laurence wollte es auch probieren und hat glatt 100 Rupies verloren. -Eigentlich wollte er nur 20 setzen, da hieß es aber, damit sollte er zu den Kindern an den anderen Tisch gehen 😀
Also Mindesteinsatz 100 Rupies, und es war unglaublich was da an Geld über den Tisch ging- Es flogen tatsächlich 1000er!
Der Blick aus dem Fenster
hier wird gewürfelt
Ansonsten liefen wir durch die Straßen, besuchten einen Sikh-Tempel und fanden noch einmal typische indische Straßen, wo sich selten Westler hinverirren und fielen dementsprechend auf (Einige Kinder spielten ein SPiel, bei dem es darum ging wer als erstes 100 Unterschriften von Touristen gesammelt hat, ich war die Nummer 72), aßen noch einmal all das liebgewonnene Essen (wie Alu Gopi, Puri, Momos), tranken Chai, machten Fotos, wurden fotografiert, kauften letzte Geschenke, fuhren Ricksha, redeten über Indien und die Unterschiede zu Europa, philosophierten über das Leben und hatten einfach eine großartige Zeit. Großartig war übrigens auch, dass wir ebenfalls einen Fernseher im Zimmer hatten. Und dass Laurence aus Newcastle damit die Möglichkeit hatte, das Fußballspiel Newcastle gegen Manchester zu sehen. Und ich wiederum die Möglichkeit hatte ihn dabei zu sehen! Großartiges Schauspiel! Übrigens habe ich dabei noch festgestellt, dass unsere Freunde Appy- und Grappo-Fizz auch eine Fernsehwerbung haben!
Der Sikh-Tempel
Vor Betreten des Tempels Hände und Füße waschen und den Kopf bedecken
Krishna wirbt für Eiskrem
Es war ein wunderbarer, bewegender Abschluss für eine großartige Zeit in Indien und hat den Abschied nur noch etwas schwerer und die Lust irgendwann wieder nach Indien zurückzukehren nur nochmal größer gemacht.
Übrigens sind wir auch Metro gefahren. Habt ihr schonmal Bilder von der U-Bahn in Tokyo gesehen? Wieviele Menschen dort auf engstem Raum in der Bahn stehen? Tja in Delhi gibt es auch eine Metro.. Die ähnlich viel genutzt wird. Auch wir haben diese Metro benutzt, dummerweise mit vollem Gepäck- Das war ein Spaß sag ich euch, also wer in Delhi einen Adrenalin-Kick sucht, sollte es mal in der Metro versuchen. Anbieten tun sich mann-große Reisetaschen oder aber gut befüllte mind. 20 Kilo-schwere Backpacks.
Der letzte Sonnenaufgang...
Zum Abschied bekam ich ein besonderes Geschenk- einen weißen Schal mit bestimmtem buddhistischen Zeichen darauf. Dieser ist eine Art buddhistischer Segensgruß, der Reisenden mit auf den Weg gegeben wird und ihnen Glück bringen soll. Man kann ihn auf jede neue Reise wieder mitnehmen. Als ich nun also mit meinem Rucksack und dem Schal um den Hals durch die kleinen Gassen des Viertels lief, wurde ich von ganz vielen gegrüßt, die das Zeichen erkannt haben, sie wünschten auch nochmal eine gute Reise- der perfekte Abschluss für eine wunderschöne Zeit in Indien! In diesem Sinne-
Namaste!