Der fruehe Vogel..

 

Tach allerseitens!

Nachdem wir nun eine Menge Zeit in Länder- und Leutekunde gesteckt haben, war die vergangene Woche richtiger echter Arbeit gewidmet. Überraschend war, dass das auch im entspannten, dem Klischee nach chronisch unpünktlichen Lateinamerika früh aufstehen bedeutet – 6:00 bimmelte der Handywecker. Das war für uns das Startsignal für das Herunterschlingen des morgendlichen Müslis und einem überstürzten Aufbruch in Richtung Wasserfall. Dort, im etwa 30 wachmachenden Laufminuten entfernten Peguche, steht eine der tollsten Schulen, die ich kenne. Abgesehen davon, dass sie für Jungen und Mädchen, Indigene und Mestizen gleichermaßen offen ist, betreibt sie ein nachhaltiges Tourismusprojekt an eben erwähntem Wasserfall, und dafür wird noch nicht einmal Eintritt verlangt. Außerdem ist sie bestrebt, ihr Territorium auszudehnen und darauf nachhaltige Land- und Forstwirtschaft zu betreiben. Und zu guter Letzt dürfen diejenigen Eltern, die das Schulgeld nicht bezahlen können (es kostet etwa 8$ im Monat, aber manche Geldbörse ist dem nicht gewachsen), es in oder an der Schule abarbeiten, so entstanden Anbauten, Spielplätze und so wird auch der Garten in Schuss gehalten.

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Das Problem dabei ist lediglich, dass es sich bei der Schule nicht um eine staatliche Schule handelt, sondern dass es eine deutsche Gründung ist, eine Art Privatschule also. Die Lehrer, die hier beschäftigt sind, werden aus der finanziellen Unterstützung des deutschen Partnervereins bezahlt, und dessen Finanzkraft hängt letztendlich mehr oder weniger von der Geschicklichkeit und dem Einsatz einer einzelnen Person ab – seiner Gründerin. Da die Unterrichtsqualität in Ecuador zwar mehr oder weniger hoch ist, aber generell erstmal jedem Kind ein Schulplatz geboten wird und darüberhinaus viele Maßnahmen zur Verbesserung des Lernprozesses ergriffen werden, gibt es keine Gründe, warum die Entwicklungshilfe in diesen Sektor Geld stecken sollte, und das ist für das Land als Ganzes sicherlich gut, aber nicht für unsere Schule.

Wir selbst wollen allerdings von der finanziellen Seite wenig wissen. Wie ihr euch sicherlich erinnert, haben wir anno dazumal in Indien ein Konzept zur Verbesserung des Schulunterrichtes durch mehr Kreativität und die Einbeziehung des direkten Schulumfeldes entwickelt, und das wollen wir gern auch in der Wasserfallschule zur Anwendung bringen. Die Fragen dabei sind nur: Will das jemand? Braucht das jemand? und bezahlt das auch jemand? Um zumindest die ersten beiden Punkte zu klären, haben wir an der Schule einige Tage hospitiert (und werden das noch ein paar Tage tun). Es geht darum, sich jede Klassenstufe inklusive Vorschule einmal anzusehen, die Unterrichtskonzepte zu analysieren, mit den Lehrern und auch möglichst vielen Schülern über ihre Ansichten zu möglichen Veränderungen der Schule zu sprechen und dann hinterher zu etscheiden, ob wir hier fehl am Platze sind oder nicht. Bis jetzt glaube ich, dass unsere Arbeit hier durchaus Sinn machen könnte, da auch der Unterricht von den gutmeinenden Lehrern sich manchmal in starren Bahnen bewegt und  nicht alle Ressourcen genutzt werden, die es hier so gibt. Und das sind viele!

 

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Wir sind allerdings nach wie vor unprofessionell genug, um bei unserer Arbeit eine Menge Spaß zu haben. Täglich lassen wir uns in neuen Klassen inspizieren und ausfragen, bei Gelegenheit auch mal anmalen oder knuddeln. Gestern habe ich für einen Tag Unterrichtsbegleitung tatsächlich eine Dankeschönkarte bekommen… 🙂
An und für sich macht das ganze in den kleineren Klassen, wo alle ehrfürchtig verstummen, wenn unsereins den Mund aufmacht (naja eigentlich nur beim ersten mal) und die uns am Nachmittag nur unter schweren Protesten oder auch mal gar nicht vom Spielplatz entlassen ein bisschen mehr Laune als bei den Älteren, die das ganze wesentlich ruhiger angehen. Außerdem sind die größeren Klassen schon eine ganze Ecke tumultiger als die kleinen, so dass die Lehrer manchmal vor der Wahl stehen, ihre Stunde mit Moralpredigen zu füllen oder das ganze zu ignorieren.

 

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Ein sehr kritischer Punkt ist die oft zur Schau gestellte Gewalt unter den Schülern. Ich weiß nicht, ob die Kinderchen sich nur ausprobieren wollen oder inwiefern die Eltern da eine Rolle spielen (wahrscheinlich beides), aber während unserer Woche dort wurden schon diverse blaue Flecken und Augen produziert, ohne das mir dafür irgendein Grund ersichtlich gewesen wäre. Dabei gibt in unserer Befragung die Mehrzahl der Schüler an, dass die Gewalt zu den Dingen gehört, die ihnen den Tag vermiesen. Und man muss auch sagen, dass es sich (wie in deutschen Schlen auch) um einzelne Streitsucher handelt..
Sonst ist die Stimmung allerdings sehr gut, trotz allem gibt es einen starken Zusammenhalt und von den jüngeren Jahrgängen würde ich auch getrost behaupten, dass sie dem deutschen Kind einiges voraushaben (mit vier wird gelesen, mit 7 gebruchrechnet). Der Vorsprung verschwindet dann aber häufig sang- und klanglos wieder, wenn sie zu „den Großen“ gehören.
Das tollste sind selbstredend die Pausen und der Schulschluss, wo wir gleichzeitig ringen, Fußball spielen, Fangen spielen, Grasballschlachten machen (es gibt hier kaum Schnee, aber frisch gemähtes Gras erfüllt denselben Zweck), über Deutschland reden und nebenher unsere Umfrage weiterführen. Die sind so anstrengend, dass wir eigentlich immer das Gefühl haben, die Schule kurz vor Sonnenuntergang zu verlassen, obwohl es eigentlich kurz nach Mittag ist. da die Kiddies hier in ihren 7 Schulstunden nur eine Pause haben, ist der Tag unterm Strich recht konzentriert, aber dafür kurz. Da wir aber nicht mehr die Jüngsten sind, ist er für uns gefühlt trotzdem recht lang… man bekommt recht schnell Koditionsprobleme, wenn man versucht, in einem Gebirge herumzurennen, sonst aber nur die Leipziger Tieflandsbucht oder das norddeutsche Flachland gewohnt ist. Dafür sind wir nach unserer Rückkehr wahrscheinlich perfekte Marathonläufer.

Bis dahin!
Inga und Robert

Schatzkammer voll Musik

Mütter und Familienangehörige aufgepasst: Hinsetzen! Festhalten! Tief durchatmen! Inga war krank. Ihr Bauch tat so weh, dass sie zwei Tage auf dem Rücken verbringen musste. Aber: Sie ist wieder gesund. Fast zumindest. Also kein Grund mehr zur Sorge, aber Grund genug um zu erklären, dass während der letzten Tage nicht viel bei uns los war.
So ganz allein gab es in Otavalo nicht viel anzustellen, außer für Inga Gesundheitfraß zu kochen und ihr demit ihren Studenarest so unangenehm wie möglich zu gestalten.

Ich hatte lediglich eine Verabredung in Jorges Schatzkammer. Jorge, das ist ein Handwerker und Künstler, der aus einer Jungelpflanze und anderen Naturmaterialien eine ganz neue und einzigartige Art Traumfänger entwickelt hat, seine Schatzkammer ist der Hort seiner neuesten, ältesten, besondersten und andersten Kreationen. Er ist toll gestaltet und dort durfte ich ein kleines Bild malen. Das war für mich etwas besonderes.

die werkstatt

traumfaengermachernachwuchs

el maestro

al trabajo

 
Mindestens genauso besonders war, dass dann sein Neffe Ali mit mir zu der Schule fuhr, in der er Musikunterricht gibt. Ich wurde dort kurzerhand als neuer deutscher Freund vorgestellt, der einfach nur dem Unterricht ein wenig beiwohnen möchte. Die Schüler sollten gar nicht weiter auf mich achten.
Sofort standen sie alle auf, umringten mich, tippten mich an, lehnten sich an mich, untersuchten meinen Rucksack aufs genaueste, und achteten nicht weiter auf mich.
Ich fragte sie ein paar Dinge auf Spanisch, aber sie fanden mein Spanisch eher komisch als verständlich. Dafür stellte ich fest, dass es offensichtlich doch noch ein paar Eltern gibt, die ihren Kindern Quichua beibringen, und selbige Kinder plapperten munter auf mich ein. Für geschätzte 5 Sekunden hab ich mir auch gemerkt, was „WIe heißt du?“ und „Ich heiße…“ heißt, aber für mehr war leider keine Zeit, denn der Musikunterricht begann. Das hieß, dass zuerst Instrumente verteilt wurden. Dann gingen drei Viertel der Klasse hinaus zum Fußballspielen, und der Rest pustete Panflöte, am liebsten laut, plötzlich und direkt neben meinem Ohr. Mit einem Wort: Es war herrlich!
Die Kinder kamen abwechselnd herein und übten Tonfolgen, posierten für meine zeichnerischen Ergüsse oder trabten wieder ins Freie auf den Bolzplatz. Alle waren permanent am Lachen (außer dass die Jungs mal kurz doof glotzten, als ich für das Mädchenteam ein Tor schoss), es herrschte ungezwungene Atmosphäre, und die Kinder lernten nebenbei sogar noch was.
Dann gab es ein kleines Konzert mit Trommeln und Panflöten unter freiem Himmel und zum Abschluss noch etwas Leibesertüchtigung – oder Lehrerbelustigung, wie man’s nimmt. Die Kinder sollten sich alle Gegenseitig huckepack bis zum anderen Ende des Schulhofes und zurück tragen, und das ganze bitte um die Wette. Der WItz: Der Weg führte über das Fußballfeld, auf dem auch nach wie vor gespielt wurde… es gab kullernde Haufen aus strampelnden und zappelnden Armen und Beinen so weit ich sehen konnte, keiner wusste mehr, ob er Träger, Getragener oder Fußballspieler war, wo Tor, Ziellinie, oben oder unten waren. Mit noch einmal demselben Wort: herrlich.

Im Sonnenuntergang ging es per Bus zurück, und mit einer Einladung zu einem Bergwandertag verabschiedete sich Ali.
Zurück in Otavalo ging es Inga wieder ein bisschen besser (vielleicht weil sie eine Weile von meiner Pflege verschont geblieben war), und…
… und das ist eingentlich auch schon alles, was es neues gibt.

Bis bald, vielleicht mit neuen Abenteuern. 🙂

 

otavalo bei nacht,

 

 

der uebliche sonnenuntergang,

 

 

und doofe himmelsfotos, weil ich die schule nicht fotografiert habe...

 

… und Inga lachte!

Hi,

wir sind zurück. Vielleicht errinnert ihr euch noch, dass wir schrieben, wir würden nach Iluman aufbrechen. Das ist jetzt 5 Tage her, und unsere Rückkehr war vorgestern. Also haben wir drei Tage in diesem Dorf verbracht, die ganz besonders schön und interessant waren.
TAG 1

Gleich nach unserer Ankunft haben wir uns auf eine kleine Entdeckungstour in die nähere Umgebung begeben, geführt von einer der 5 Töchter unserer Gastfamilie. 5 Töchter… die Mutter Laura klärte uns darüber auf, dass es mittlerweile normal sei, nur „so wenige“ Kinder zu haben. Sie selbst hat 12 Geschwister. Die Großmutter dazu lebt noch und es fällt schwer zu schätzen, wie viele Enkel sie wohl hat. 3-stellig…? Man müsste sie mal bitten, sie aufzuzählen 😉 Das wäre noch zusätzlich erschwert dadurch, dass jedes Kind zwei Namen hat. Unsere kleine Führerin jedenfalls heißt Erika-Sofia. Sie war sehr offen und freundlich, erzählte so dies und das von den Motocross-Rennen, die sich einmal jährlich durch den Bergmatsch kämpfen, den neuen Wasseraufbereitungsanlagen, die weiß am Hang leuchten, von den zahlreichen Wolkenformen, die manchmal wie Tiergestalten aussehen, und von ihrer Schule, in die sie übrigens gern geht. Ja, das gibts. 10 Jahre und geht gern zur Schule. Wir habens ihr so gut es geht ausgeredet.
Die gute Laura wuselte unterdessen in der Küche herum, dem zentralen Platz ihres Hauses. Sie versprach uns ganz viel traditionelle Küche, uns sie hat das mehr als gehalten. Fleißig mitgewuselt hat die kleine Melanie-(uns ist der zweite Name entfallen), die mit ihrem einen Jahr an so ziemlich allem Interesse zeigt, was so in der Gegend rumsteht, hängt, liegt,… Sie hat dabei eine eigenartige Vorliebe für Dinge entwickelt, die eigentlich gerade ihre Mutter braucht. Und später auch für meinen Bart, den sie mir ständig zu essen geben wollte.
Gegen Abend füllte sich das Haus, vier der Töchter waren da (die fünfte kommt nur am Wochenende nach Hause), dazu ihr Paps und eine Kusine, Tante oder sonstwas in der Art, ich hab das nicht so genau verstanden, aber auf jeden Fall hat sie was zu essen bekommen.

ankunft: alles im lot

Tochter Nr. 3 und 5

Mama Laura

quasi ein familienmitglied: das wachhuhn

der ausblick aus unserem zimmer

die strasse in die zivilisation

der berg im wolkigen morgenrock

unser zimmer - in deutschland bin ich allenfalls durchschnittlich gross

TAG 2

Wir standen gegen 9 auf, das war eine Stunde später als wir wollten, mindestens 3 Stunden später als unsere Gatfamilie tatsächlich aufgestanden ist und 4 bis 5 Stunden nachdem der Hahn anfing zu krähen. Wenn ich da nochmal hinfahre, bring ich dem Mistvieh wahlweise ne Uhr oder eine Schnabelklammer mit.
Wir tranken Kaffee (so nennt man Tee hier, wenn man ihn nicht Wasser nennt) und aßen Brot, und dann führten wir die Stiere mit Laura in die Berge. Auf der Weide angekommen, wurden 2 von Laura angepflockt, ich rannte verzweifelt dem dritten hinterher, um zu zeigen, dass ich als Stadtkind das auch hinkriege, und Inga lachte sich schlapp. Nicht dass sie das selbst besser gekonnt hätte, aber im Auslachen war sie spitze. Als ich schließlich meinen Stier hatte, stand der auf seiner Leine und wusste absolut nicht, was ich von ihm wollte, als ich wie wild dran zerrte. Laura drehte sich zum Lachen höflich weg. Inga nicht. Der Stier hatte nicht genug Humor zum Lachen, drehte sich aber trotzdem weg.

Hinterher wurde noch ein wenig weitergewandert, durch ein paar steinige Minicanyons und über Maisfelder, bis wir von einer Wiese unser kleines Otavalo so recht von oben herab betrachten konnten.

el canyon

ueberall gab es heilkraeuter, und dagegen bin ich allergisch!

mais wie er frischer nicht sein koennte

...

ja, es war mir wichtiger die hintern der stiere zu zeichen als geradeaus zu gehen und auf den fuessen zu bleiben. im matsch faellt man halt weich!

endstation fuer die torros

unser kleiner compañero, der leider nichts fressen will und hoffentlich bald gesund wird

Wieder daheim gab es Suppe – es gibt hier eigentlich immer Suppe – und das Schauspiel der überdrehten Mädels, die aus der Schule heimkamen und zwischen den Dachbalken des Hauses rumkletterten. Es ist hier eigentlich nie so kalt, dass es nötig wäre, die Häuser wirklich dicht zu bauen oder gar zu dämmen, also liegt ziemlich viel Gebälk frei und darf bei Bedarf von Kindern beklettert werden. Spielplatz nicht vor, sondern hinter der Haustür – geiles Erziehungskonzept.
Am Nachmittag hat Inga das begonnen das Webereihandwerk zu erlernen (meine Gelegenheit zum Lachen), mit einem widerspenstigen Maschinchen Mais fürs Abendessen gemahlen (eine weitere Gelegenheit) und dann saßen wir vom Anbruch der Dämmerung an mit Hühnern, Stieren und Hund um das Feuer im Hof um den Hexenkessel und sahen Laura dabei zu, wie sie schürte, rührte und sich verbrannte. Dazu gab es Familiengeschichten sowie ab und an etwas Wissenswertes aus dem allzu fernen Deutschland.
Das heißersehnte Ergebnis nannte sich Morocho, ist eine SUppe aus Mais und Milch und erfreut sich unter Kindern unterschiedlichen Alters allergrößter Beliebtheit. Es lässt sich auch ohne weiteres in etwa drei Stunden zubereiten, keine große Sache also.

spiderman isn scheiss dagegen: tochter Nr. 4

die abendsuppe, die amn nicht am herd kochen kann

angesteckt: kuenstlernachwuchs

nicht stoeren, genie denkt nach!

TAG 3

Ein Tapiz ist ein gewobenes Stück Soff, meistens mit einem Bildmotiv, meistens einem traditionellen, meistens handelt es von Natur oder der indigenen Bevölkerung. Laura braucht für eines etwa 20 Minuten. Inga steht dem mit ihrer Zeit von 4 Stunden Laura nur wenig nach, ihr umgerechneter Stundenlohn von 12,5 Cents darf sich auch sehen lassen (ein Tapiz bringt der Familie einen halben Dollar).

Aber auch wenn man so geübt ist wie unsere Gastmutter lohnt sich die Arbeit mit Tapiz kaum noch, denn von den 1,50 $ Stundenlohn muss sie  noch einen ordentlichen Teil für die Wolle abdrücken, außerdem zahlen die Händler ihr das Geld oft auch erst dann, wenn sie selbst das Stück auf dem Markt an den Mann oder die Frau gebracht haben, und das passiert selten genug. Dafür gibt es ein erschlagendes Überangebot auf dem Markt… Was doch noch verkauft wird, füllt eher die Taschen des Händlers als die des Produzenten…

Letztendlich sind mehr und mehr Handwerkerfamilien froh, wenn sie Touristenbesuch beherbergen können, um ihr Einkommen aufzubessern. Alberto, der Vater hat auf Bauarbeiter umgesattelt, solide Arbeit mit angemesserer Bezahlung für 10 Arbeitsstunden am Tag – zumindest kann man davon Leben, solange es sein Körper mitmacht.

inga bei guter, alter hausfrauenarbeit

unter strenger beobachtung

fast fertig...

Vor dem Abschied war es noch eine sehr schöne Erfahrung, Brot zu backen. Die Kinder wurden kreuz und quer durch das Dorf geschickt, um Mehl, Hefe und Backpulver zu besorgen, und als sie hechelnd schließlich alles brachten, kneteten wir, rollten wir und knoteten wir den Teig zu kleinen Kränzen, von denen wir spontan mindestens ein Drittel direkt aus dem Ofen heraus aßen. Es wr definitiv die Bauchschmerzen wert! Wir haben ürbigens entschieden, dass Inga Weberin und ich Bäcker werde, wenn wir wieder zurück sind…

baeckermeisterin und geselle

brot! das ist zuwenig gesagt

abschiedsbild

Eine Busfahrt und einen Spaziergang später kamen wir wohlgenährt und ein bisschen ausgekühlt (die Temperaturen in den Bergen sind doch etwas niedriger als die im Tal) wieder in Otavalo an, genießen wieder Stadt und Leute und schreiben komische Blogtexte.

Bis zum nächsten komischen Blogtext.
Grüße aus Otavalo! 🙂

 

ps: der blog war schon frueher geschrieben, das internet, oder besser gesagt sein fehlen haben uns daran gehindert, das frueher zu posten

Auf hohem Berg und tiefem, tiefem Tal

Unser kleines Tal wird flankiert von Gebirgszügen, es ist durchsetzt von kleineren Hügeln und Bergen, aber es wird beherrscht von zwei ganz besonderen ihrer Art: Mama Cotacachi und Papa Imbabura . Die beiden sind nicht nur groß, landschaftlich reizvoll (wiewohl man Berge erwarten sollte, wenn man in einem Gebirge residiert), und gegen Entgelt mit Führer zu besteigen, sie sind auch in die örtliche Sagenwelt eingebunden. Die beiden sind nämlich seit Jahrtausenden ein Paar – früher wurde die Ehe eben noch ernst genommen – und haben so manch Wesen gezeugt in ihrer gemeinsamen Zeit, darunter auch die Ur-Otavalianer, deren Nachfahren bis heute auf dem Marktplatz sitzen und Teppiche anbieten.
Dass Mami und Papi ein Schäferstündchen verbracht haben, erkennt man übrigens daran, dass Mami am nächsten Morgen einen schneebedeckten Gipfel hat. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit von allem distanzieren, was eure Fantasie dazu hervorbringt… 😉

wir haben zum Papi eine Fotostrecke gemacht, jeden Tag ein Bild - aber...

...er...

...gibt...

...sich...

...schuechtern.

...

-.-

die mami

und die resltiche Sippschaft

manche zeigen sich auch im Tageslicht

Wer sich uns mit Sonnenbrillen, Strandtuch und Bikinis vorstellt, der liegt derzeit gründlich daneben. Es regnet, und warm ist es auch erst, wenn man sich ordentlich bewegt. Warum sollte es auch warm sein in einem Land, das nach der Mitte der Erde benannt ist?
Wir wollen uns ja gar nicht beschweren, ihr habt es wahrscheinlich nach wie vor kälter als wir, aber trotzdem: Wäsche waschen und sie aufs Dach hängen, damit sie dort abwechselnd im Wind halb trocken und im Regen wieder triefend nass wird, das können wir auch zu Hause. Und da haben wir mehr Klamotten.
Aber da sprechen nicht so viele Leute spanisch… Für Inga ist heute ein besonderer Tag: Ihr Spanischkurs endet. Und das keinen Tag zu früh, wie ich bemerken möchte. Jeden Tag mindestens eine neue Zeitform, von denen jede verschiedene Modi hat (es gibt für jede Zeit einen „das passiert“-Modus, einen „das könnte passieren“-Modus, einen „das wird wahrscheinlich nicht passieren, aber ich möchte am liebsten trotzdem, dass es passiert“-Modus und noch ein paar mehr), dazu ein Berg Vokabeln und Hausaufgaben auf schlecht kopierten Arbeitsblättern – da fehlt manchmal schon fast die Zeit und Kraft, noch was anderes vom Land mitzunehmen. Gelohnt hat es sich trotzdem: Inga redet jetzt in einer Sprache mehr als zuvor flüssig, versiert und niveauvoll auf mich ein und ich höre in einer Sprache mehr nicht zu. Never touch a running system, nicht wahr?

das hat jetzt zwar nichts mit dem Inhalt zu tun, aber weil Spanischlernen eher langweilige Fotos gibt, hier stattdessen ein Bild vom Wasserfall in Peguche, quasi um die Ecke

drumrum ein schoener Eukalyptuswald und auch sonst viel Gruenes

einen alten, mehr oder weniger heiligen Versammlungsplatz gab es auch in der Naehe

Was es an der Schule leider nicht gab: Kichwa. Das ist die indigene Sprache Ecuadors und weiterer Teile der Anden, im Prinzip die aktuelle Form dessen, womit sich die Inkas unterhalten haben – so wird es in einem Buch erklärt werden, wenn man sich die Mühe macht, nachzulesen. Und so ist es totaler Quatsch, wie das meiste andere auch, das Bücher über Jahrtausende alte Kulturen und Gemische unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen zu erzählen wissen. Das, was Kichwa genannt wird (und manchmal Quichua geschrieben wird), ist eine Sprachfamilie, von der es soviele Ausprägungen gibt, wie es Stämme und Dörfer (das wird hier interessanterweise mit demselben Wort bezeichnet) gibt. Je weiter zwei Menschen indigener Herkunft auseinanderleben, je schwerer ist es für sie, sich zu verstehen. Es gibt zwar einen gewissen Austausch durch Touristen, die beinahe überall herumwuseln, aber die sind wenig daran interessiert, die Dialekte und sprachlichen Besonderheiten der einzelnen Städte miteinander zu vergleichen und Austausch zu bewirken. Andererseits leben mehr und mehr indigene Familien in Städten und heben damit die vor einiger Zeit noch recht absolute Trrennung zwischen Mestizen (den Nachfahren der spanischen Conquistadores) und ihnen selbst auf, aber oft ist dieser Prozess auch damit verbunden, die verschiedene Traditionen wie Kleidung, Frisur und Sprache mehr und mehr abzulegen. Viele jüngere Menschen aus Otavalo und Umgebung sehen keinen besonderen Sinn mehr darin, überhaupt Kichwa zu lernen, so dass sich mittlerweile die Regierung eingeschaltet hat und Kichwastunden in der Schule angeordnet hat, um dieses Stück Kultur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Auch das gesprochene Kichwa der älteren Generation ist eigentlich eine Mischung des Originals mit Spanisch, sagte man uns – und genauer werden wir das aufgrund unserer fehlenden Doktortitel in Kichwalogie und Inkanistik nicht rausfinden.

Unterm Strich ist Kichwa hier also das, was Einheimische sprechen, wenn sie nicht von uns verstanden werden wollen, und so interessant diese Dinge auch immer sind – bis auf 2 oder drei Floskeln werden wir es sicher dabei belassen.

nochmals mangels Bildmaterials ein kleiner Exkurs in die Botanik: ein grosser Baum, der von einer ebensogrossen Blumenranke ueberwuchert wird - sieht schoen aus, und ob es gesund ist, koennen wir nicht sagen

Inga Blumenkind freut sich jedenfalls

Dafür lernen wir andere Sachen: Die Werkstätten vieler Handwerksfamilien stehen Besuchern offen, und vom Traumfänger über den Teppich bis zur Panflöte kann man sich alles mal bei der Herstellung ansehen, in der Regel sogar mitmachen und das Ergebnis mit nach Hause nehmen. Ab morgen sind wir 3 Tage in Iluman, einem Dorf in der Nähe untergebracht, wo wir Teppiche und Wandbehänge weben lernen werden, und auch sonst ein bisschen die Gegend auskundschaften dürfen. Das kleinere Problem ist dabei, dass es kein warmes Wasser gibt. Das größere Problem ist, dass wir nicht wirklich an die (noch größere) Höhe gewohnt sind, und der kurze Weg von der Bushaltestelle zu unserem Haus uns schon dermaßen die Luft nimmt, dass ich nicht weiß, wie wir es durchhalten sollen, wenn unsere Hausmama eine Runde mit uns wandern geht. Die Frau ist an die 50 und wird sowas von allen Grund haben, sich über uns lustig zu machen, wenn nach 5 Minuten Lauferei Ingas Kopf farblich an einen Feuerlöscher erinnert und ich mich nur noch mit einem improvisierten Krückstock auf den Beinen halten kann.

eine Traumfaengerwerkstatt, die wir ein paar Tage besuchen durften

Naja, sollten wirs überleben, werden wirs berichten.
Bis dahin,

Wir.

Mix it, Baby

Moin.

Ich bin eine Hausfrau geworden. Und eigentlich steht mir das ganz gut. Wenn Inga früh aufgestanden ist, damit sie es rechtzeitig zu ihrem Spanischkurs schafft (er beginnt 14 Uhr), mache ich mich zeitgleich auf zum Markt, um einzukaufen. Naja, das Einkaufen ist eher Alibi. Eigentlich geht es ums Tratschen, ums Lästern und ein bisschen ums schnorren – manchmal werden die Preise für Lebensmittel etwas günstiger, wenn ich tragisch zum besten gebe, dass ich aus einem Land komme, das seine Einwohner mit 20 Minusgraden quält… na kommt schon, vor ein paar Tagen war das jawohl noch wahr.

Auf dem Markt ist es schön, man lernt permanent neue Menschen kennen, wird eingeladen, verabredet sich und weiß, dass keiner daran denkt, sich daran zu halten, bekommt manchmal eine Mandarine geschenkt und wird gelegentlich auch mal ein bisschen verarscht. Es soll hier Leute geben, die stehlen. Auf dem Markt sind Leute, die vor Leuten warnen, die stehlen, sich selbst aber nicht schämen, einfach mal das dreifache zu verlangen, wenn man offensichtlich nicht von hier ist. Ich kann euch sagen, ich bin sofort zum nächsten Stand abgezischt und hab die olle Bescheißerin erstmal ordentlich durch den Kakao gezogen, auf dass es sich schnell verbreite…

Freilich gibt es auch Händler, die Anderswo besser verkaufen: Ich find die Eisverkäufer herrlich, die ganz pünktlich und ebenso frech zum Schulschluss vor den Schultoren stehen und den Kiddies das Essengeld in kühles Vergnügen umtauschen. Ebenfalls angesagt ist übrigens Obst mit Unmengen von Salz zu verzehren. Offensichtlich kann man sich auch damit hinreichend die Zähne versauen, wenn Mars und Co einfach zu teuer sind – und das sind sie hier in der Tat.

Zurück zu Hause wird gekocht… Damit es was zu futtern gibt, wenn die Spanischerin nach Hause kommt. Das eine fiese daran: der Herd ist ein Gasherd und zündet langsam. Läuft wie folgt: Gas auf, Zünder gedrückt halten, dem regelmäßigen Knackgeräusch lauschen, sich nach einer halben Minute ansatzweise Sorgen machen, weiter lauschen, nach einer Minute die Augen schließen, um nicht von der Stichflamme geblendet zu sein, sich die Reste der versengten Unterarmhaare abwischen und los gehts! Das andere fiese daran: hier kocht das Wasser bei weniger als 100°C. Warum das so ist, verrät euch der Physikunterricht in der ach so weit hinter euch gelassenen Schulzeit oder von mir aus die Wikipedia, wenn ersterer keine bleibenden Erinnerungen hinterlassen haben sollte. jedenfalls dauert es mit Wasser, das bei gefühlten 50 Grad schon am sprudeln ist, wesentlich länger, irgendwas gar zu kriegen, da kann so ein Chili schon mal 3 Stunden auf dem Herd verbringen, ohne merklich weicher zu werden. Andererseits kann man sich die kochende Brühe über die Finger kippen, zuckt kurz zusammen und hat nicht mal rote Haut davon.

Das hier hat unser Herd sich bis jetzt abringen lassen (auf Fotos wird verzichtet, um niemanden den Appetit zu verderben):

Gemüsesuppe
Pasta mit feuriger Salsa
Kohlpfanne
Kohlsuppe (der Kohl hier ist einfach verdammt groß…)
Chili mit Reis
Kartoffelpüree mit grünem Gemüse und gebratenen Zwiebeln

Das wichtigste Küchenutensil, das auch in den Betonrohbauten nicht fehlen darf, in denen Großteile der indigenen Bevölkerung leben: Der Mixer (dicht gefolgt vom Fernseher). Der ist hier deswegen so wichtig, weil es wie bereits erwähnt Unmengen von Obst gibt, die man hineinschmeißen kann, um Säfte zu erhalten, die sich geschmacklich zu dem Inhalt des deutschen Tetrapacks ungefähr so verhalten wie Eistee zu Motoröl.
Der Mixer war auch anfangs fast das einzige saubere in unserer Küche, denn die Mehrheit unserer Töpfe war bereits von Gonzalo zweckentfremdet worden, um darin Farbe, Zement und andere nützliche, aber ungenießbare Sachenzu fabrizieren.

unser Karnevalsausflug: "Sportfischen"

das Fischbecken: klein und voll - so viel zum "Sport"

da unser Weg leider recht kurz war, konnten wir nicht in der Gaestesuite residieren

das beste daran: den heiligen Stein der Indigenen entdecken. Er wird fuer eine Art Erntedank-Zeremonie genutzt

wer Fische faengt, muss sie auch essen...

Eine wesentlich interessantere und weniger geschmacksschädigende Zweckentfremdung der Topffratkion fand zum Karneval statt. Der wird hier nämlich tradionell von Wasserschlachten begleitet. Für faule und reiche wird schaumspray verkauft, mit dem die eigene Freundin (in emanzipierten Fällen auch der eigene Freund), Familienmitglieder,  Wildfremde oder wer sonst vor den Abzugshahn läuft eingeweißt werden. Ich persönlich hab einen sparsamen Weg gewählt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit Kinder angestiftet, Inga auch mal eine Ladung zu verpassen (geringer Aufwand, große Wirkung) – das hätte wirklich traumhafte Fotos gegeben, wenn der Schaum sich nicht sofort wieder aufgelöst hätte.
Für die richtig coolen Leute ist allerdings der Wasserhahn das Mittel der Wahl: Es werden Wasserbomben gefüllt (von denen die Hälfte schon beim Abfüllen explodiert), alternativ halten auch Flaschen oder sontige Behältnisse her. Gonzalo war so schlau, mit dem Wasserschlauch „sein Auto zu waschen“, um dann spontan auf Passanten loszugehen. Unsere Nachbarn nahmen den Kampf auf, Nicolas, Inga und ich stiegen auch ein, und kurz darauf wurde NIEMAND mehr verschont.

nach dem Kampf

ist vor dem Kampf

und ueberhaupt

Kein Zweifel, wir haben selbstredend gewonnen, das wurde beschlossen, als sich unsere Nachbarn schließlich in ihr Haus eingeschlossen hatten 🙂 Tja, wer das höhere Dach hat, spritzt halt weiter… Allerdings haben sich die Fronten immer mal ein bisschen verschoben. Sonst wäre Inga ja leer ausgegangen. Sonst würden wir nicht seit Tagen unsere Klamotten trockenen, die immer wieder durch Platzregen in den Ausgangszustand versetzt wird. Und sonst wären wir um die unvergessliche Erinnerung betrogen worden, wie Nicolas versucht hat, mich mit einem halbvollen 50-Liter-Fass zu überraschen, entdeckt wurde und unter lauten “ Es mio, es mio! ( das ist meins, das ist meins!)“-Rufen sprudelnd in den Fluten versank. Was sein ist, soll immerhin auch sein bleiben, und er hat auch jeden Tropfen davon behalten 😀

inga nass

robert nass

Eigentlich hatten wir gedacht, wir würden nach Quito fahren und die große Parade miterleben, aber keine Parade hätte das aufwiegen können.
Auch sonst hat sich Otavalo viel Mühe beim Karneval gegeben: Es gab Umzüge und es gab eine Bühne mit Livemusik für ganze 4 Tage, auf der alles von Modenschau über Andenschlager (nicht ganz so schlimm wie Petri und andere heimische Vertreter des Genres) bis zu Pseudo-Gangsterrap, traditionellen Tänzen, Violinenwunderkindern und anderem mehr, was uns wegen des regnerischen Wetters entgangen ist.

Umzug in Otavalo

Als denn, eine frohe Fastenzeit und wolkige Grüße,
Inga und Robert

Über den Wolken

Tach allerseits!

Das wichtigste zuerst: seit eben bist du auf dem falschen Blog. Es drohen dir keine rechtlichen Konsequenzen, du wirst nichts lesen, was nicht für deine Augen bestimmt ist, im Prinzip interessiert es noch nicht mal jemanden, ob du das hier liest, aber du bist auf dem falschen Blog.

Warum? Es sollte hier um die abenteuerliche Reise zweier junger Menschen durch Indien gehen. Geht es aber seit heute nicht mehr. Besagte Reise ist seit über einem Jahr vorbei, aber dennoch und trotzdem und überhaupt irgendwie auch nicht. Wichtig ist eigentlich nur, dass ihre zweite Etappe in Ecuador stattfindet, das liegt ungefähr 10300 km vor den Toren Stockholms. Dort (in Ecuador, nicht in Stockholm) sind wir am 6.2. diesen Jahres angekommen und unser Gepäck 5 Tage später dann auch.

das Klischeebild - Klischees sind manchmal sooo angenehm 🙂

diese Blumen haben einen Durchmesser von je 3mm

der intensivste Eindruck war jedoch die Wut ueber das fehlende Gepaeck

Darin bestand auch die erste ernsthafte Herausforderung unseres Aufenthaltes hier: Komm 5 Tage mit den Klamotten klar, die schon nach dem Flug hierher nicht mehr die frischesten waren. Nun wissen ja die echten Kerle unter euch, dass nach 5-tägigem Tragen derselben Unterhose mindestens noch einmal die gleiche Zeit verstreichen darf, bis ein Wechsel in Betracht zu ziehen ist. Ich konnte jedoch Inga von dieser durchaus nachvollziehbaren Geisteshaltung nicht so recht überzeugen, also haben wir uns nach unserer Ankunft in Otavalo (etwa 175 km nördlich von der ecuadorianischen Hauptstadt Quito gelegen, und auch an die 10000 km entfernt von Stockholm) recht schnell in das tägliche Marktgetümmel gestürzt, um mit unseren reaktivierten indischen Verhandlungskünsten den örtlichen Händlern die Tränen in die Augen zu treiben und uns ein paar neue Fummel zuzulegen.

la plaza de Ponchos

selber plaza, anderer Stand

Obwohl sie als Kleidung von eher mäßigem Nutzen sind, fielen uns dabei die unzähligen handwerklichen Erzeugnisse auf, die auf dem Markt, dem „Plaza de Ponchos“ gehandelt werden: erwartungsgemäß Ponchos, weiterhin hübsche Kästchen, Schmuck, traditionelle Musikinstrumente, Gravuren, Taschen, Hängematten, Bilder, Stickereien und mindestens noch einmal genausoviel, das mir jetzt nicht mehr einfällt. Besonders schön dabei ist, dass sich zwar die Produkte selbst wiederholen, aber ihre Gestaltung sehr weit variiert: Die meisten Künstler- und Handwerkerfamilien legen besonderen Wert auf ihre individuelle Note, deshalb entwickeln sich die Stile kontinuierlich weiter und deshalb sind Ohringe bei Jorge nicht dieselben wie Ohringe bei Mama Felicia oder Juan el Pequeno (die Namen entstammen Klischees, nicht der Realität).

Die Kreativität und Fortschrittlichkeit sind bestimmt wichtige Gründe dafür, dass die Region Otavalo viele Eindrücke hinterlässt, von denen keiner in Richtung „3. Welt“ oder „Entwicklungsland“ deutet. Dafür ist es bunt und entspannt, latinorhythmische Musik quillt aus jedem dritten Eingang, man grüßt sich ohne sich zu kennen… abgerundet wird das ganze durch die saftigen grünen Hügel in der Umgebung, von denen einige bei näherem Hinsehen ausgewachsene Berge sind, einer davon trägt sogar einen wundeschönen Kratersee – den wir im übrigen auch schon besichtigen konnten.

el lago cuicocha - die Aussprache erklaeren wir wann anders

eine Insel im lago cuicocha

Gasblaeschen steigen auf - ein fast sicheres Zeichen fuer einen Ausbruch des Vulkans innerhalb der naechsten 10 Minuten ... 😉

la familia von uns

Die Menschen an unserer Seite sind Rosana, in deren Haus wir recht günstig nächtigen dürfen, ihr Vater Gonzalo, der im Alter von 71 eben seine eigene Werkstatt eröffnet hat und ihr neunjähriger Sohn Nicolas, der ständig von neuen Freundinnen erzählt, wenn er über die Schule befragt wird. Fazit: Ich war auf dem falschen Kontinent in der Schule. Da die Wolkengrenze sich zum Teil bis auf den Boden herablässt, findet sich Wolke 7 wohl einfach leichter.

ca 10 Minuten zu Fuss vom Stadtzentrum entfernt

im Stadtzentrum

ein Kolibri vor unserem Fenster ... niedlicher als eine Taube und kackt auch viel weniger 😉

Zum Essen: Wir alle beide lieben, ver(z)ehren und sehnen wir uns nach Mangos. Es tat dementsprechend gut zu hören, dass wir pünktlich zum Ende der Mangosaison angereist sind, und das in einem Land, in dem die meisten Früchte ohnehin das ganze Jahr über verfügbar sind – bis auf Mangos. Bis auf die großen Löcher an den Stellen, an denen bis vor kurzem noch Mangos lagen ist der Markt allerdings übervoll mit allen Öbstern und Gemüsern, die man sich nur wünschen kann. Neben alten Bekannten wie Blumenkohl, Kartoffeln, Äpfeln und Bananen finden sich jede Menge Dinge, die wahrscheinlich überhaupt keinen deutschen Namen haben. Da wir uns wohl überwiegend selbst versorgen werden, bin ich gespannt – und ein wenig ängstlich, aber hauptsächlich gespannt – was unser Kochlöffel wohl so alles zusammenpanschen wird und ob unsere Mägen sich das gefallen lassen.

el mercado des Obstes und der Leckereien

In diesem Sinne eine Bitte zum Abschluss: Sollten wir in den nächsten Tagen nichts von uns hören lassen, schickt uns doch bitte ein paar Magentabletten vorbei. Danke.

Bis demnäschst, Inga und Robert 🙂

Der Inder und wir sagen Namaste

Ihr habt es geschafft, ihr seid am vorerst letzten Eintrag dieses Blogs angekommen. Unsere Reise ist vorüber, und der größte Teil unseres Projektes auch. Wir sind wieder in Deutschland, es geht uns gut und… ja, wir blicken zurück. Zum Beispiel auf die Vorbereitungszeit vor unserer Ausreise, auf unsere Erwartungen, Ambitionen, Ängste und so weiter… Kommt mir vor wie aus einer anderen Zeit, als wäre es schon Jahre, wenn nicht Jahrzehnte her. Oder auf die Reisezeit vor Projektbeginn mit ihren vielen Eindrücken und dem Kulturschock. Auf die Zeit im Projekt, auf unsere Reisen nach Darjeeling, auf die Rückreise und – ja, da sind wir auch schon wieder.

Wir sind jetzt in der glücklichen Lage, uns darüber lustig zu machen, wie wir unsere Entsendung damals wahrgenommen und vorbereitet haben. Gott, was haben wir alles für Quatsch gemacht und gedacht! Ein paar Beispiele? Gut, ich fang natürlich bei Inga an, wo auch sonst. Sie hatte ein total cooles Moskitonetz dabei, eins mit 6 Aufhängungen, das nicht quasi auf einem selbst aufliegt, wenn es gespannt ist, sondern das kastenförmig um einen herum hängt und wirklich die kleinen Stechbiester fernhält. Sofern es passende Haken für die Aufhängungen gibt, versteht sich. Frage: In welchem indischen Gästezimer finden sich wohl 6 Haken in der Decke, die dieses Ding braucht, um ordentlich zu hängen? Richtig, in keinem. So ist es nicht weiter verwunderlich, das Ingas tolles Mückennetz letztendlich schief und krumm gespannt war, meistens quasi auf uns darunterliegenden auflag und die kleinen Stechbiester nicht wirkungsvoll fernhielt.. 😉 und wo wir grad bei diesen fiesen Viechern sind: Mückenschutz – forget about it! Was haben mein geliebtes Mamachen und ich nicht in Mückenschutzmittel investiert, zum Einsprühen, zum Einreiben, zum Imprägnieren, zum Einnehmen … zum Wegschmeißen. Egal, was wir davon benutzt haben, die Mücken saßen drauf und haben drüber gelacht. Es hat nicht bis gar nicht geholfen, und dementsprechend werde ich mich hüten, nochmal Geld für diese dämlichen Chemikalien rauszuschmeißen. An die Mücken selbst gewöhnt man sich wiederum mit der Zeit: Sie nerven immer, aber sie sind nicht weiter gefährlich. Zumindest dort, wo wir waren, haben sie keine Malaria übertragen, und dort, wo sie es tun, kann man sich nicht unbedingt gegen Stiche wehren, also: unbedingt Malarone ins Gepäck! (naja zu unterschätzen ist das malariarisiko nu auch nicht und ganz rausgeschmissen ist das geld nicht, allerdings würde ich nicht wieder das Zeug aus deutschland kaufen- die indische chemie-keule hat durchaus geholfen, zumindest so für ein bis zwei stunden.. 😉 und dabei auch noch gut gerochen- also Odomos kaufen!)

so is es halt eigentlich nicht gedacht...

Die Folge könnte auch für den Biss einer anderen Spezies gehalten werden... 😉

Überhaupt, es ist eine Illusion, von irgendetwas so viel mitzunehmen, dass man es nicht früher oder später neu besorgen müsste, egal ob Zahncreme, andere Hygieneprodukte, Klamotten, oder auch Proviant. Ja, es gibt Leute die nehmen genug Proviant für mehrere Monate mit 😀 Ich erinner mich deutlich an ein Mädchen, dass an die hundert Tütensuppen aus Good Old Germany in der Tasche hatte, dafür aber kaum was anderes. Die sinnvollere Strategie ist es allerdings, sich einfach mit den Umständen anzufreunden: Klamotten werden gewaschen, (neu gekauft :D) nicht gewechselt, Rasierwasser wir gekauft, nicht mitgebracht (alternativ empfiehlt sich das Abfinden mit einem netten Vollbart, kommt in Indien sowies cool an), die Frisur wird herauswachsen oder irgendwann von einem Friseur zerstört, die Zahncrememarke wird dem örtlichen Angebot angepasst und die Essgewohnheiten auch – das geht alles ganz leicht, wenn man sich damit abgefunden hat. 🙂
Reiseführer lohnen sich mit Sicherheit zu haben, aber ich werd trotzdem keinen mehr mitnehmen: das Land ist sein eigenen Reiseführer. Immer kann einem jemand sagen, was es sich zu sehen lohnt, wo man was findet, wo man für die Nacht unterkommt und was sonst noch so wichtig ist. Auch in der Lonely-Planet-Generation bin ich am ehesten dafür, sich auf sich selbst anstatt auf den Schmöker zu verlassen. (Geschmackssache ;))

Lustige Idee (allerdings von uns nur dabeigehabt und nicht genutzt): Das Ohne-Wörterbuch. Es handelt sich um ein kleines Büchlein, in dem Bilder zu jedem Thema sind, über die man auf Reisen kommunizieren können müssen wird 😉 man klappt das Teil auf, verbringt einige Sekunden in peinlicher Stille während man blättert, und deutet schließlich stolz auf das Bild mit dem Zweibettzimmer in der Hoffnung, der Gesprächspartner versteht „Ich suche ein Zweibettzimmer“ und nicht „Möchtest du mit mir schlafen?“.
Was wir brauchten, waren unsere persönlichen Dokumente, Geld und Internet von wegen der Kommunikation nach daheim. Der Rest war entbehrlich, besonders Ansprüche, Unsicherheit und ein Plan. (Oh ja der Plan.. Ich hab fast keine von den Städten, die ich UNBEDINGT sehen wollte gesehen, dafür einige andere- Die Folge: Man muss halt nochmal hinfahren! Bald! 😉 Der gesunde Menschenverstand regelt den Rest, und während ich das hier schreibe bekomme ich mehr und mehr Lust, schnellstens wieder die (entbehrlichen) Koffer zu packen und in den Flieger zu steigen… 😉 (wie schon gesagt…)

Und ich vermisse Rikshas! Den indischen Verkehr generell. Ständig stehe ich hier herum und wundere mich, warum die Leute nicht die Straßen überqueren – die Autos sind noch mehr als 3 Meter entfernt, das reicht noch, nach indischen Maßstäben zumindest 😉
Als wir uns in einer Fahrschule beim Inder erkundigten, was er denn alles für die Führerscheinprüfung zu können habe, überreichte man uns die folgende Liste:

1. Der andere hat immer Unrecht, und du selbst hast Recht, also fahr weiter!

2. Das Gaspedal ist dazu da, bis auf dem Asphalt durchgetreten zu werden.

3. Fahren dient nicht nur als Fortbewegung, sondern es stellt die Erfüllung eines fundamentalen Grundbedürfnisses dar. Unnötige Nebentätigkeiten wie Essen, Trinken und Schlafen sollten fahrend erledigt werden. Stehende Fahrzeuge sind tote Fahrzeuge.

4. Es darf – sofern möglich – ein Sicherheitsabstand von bis zu 2,5 mm zu anderen Verkehrsteilnehmern gehalten werden.

5.Hupen ist gut und der eigentliche Sinn der Fahrzeugführung. Lass die Hupe nur in äußersten Notfällen los, etwa für Drohgebärden und zum Hinternkratzen, keinesfalls aber zum Lenken.

6. Ein Fahrzeug gilt als unterbesetzt, wenn auf einen Sitz 2 oder weniger Passagiere kommen, das durch Vollbesetzung der Fahrzeuge bedingte Kuscheln fördert neue Bekanntschaften und eine gesunde Sozialstruktur.

7. Ein Götterbild, im Idealfall von Krishna, sollte sich vor dem Fahrer befinden, um unnötigen Lichteinfall durch die Frontscheibe zu vermeiden und eine angenehme Fahratmosphäre zu erzeugen. Glitzerkram, Girlanden und allerlei Schmuck sind zur passenden Untermalung notwendig. Blinker, Front- und Rückscheinwerfer, Tachometer sowie gegebenenfalls auch Bremsen sind unnötige Luxusausstattung, die keinem besonderen Zweck dient und vernachlässigt oder abmontiert werden darf.

8. Wenn es keine Autobahn ist, ist es eine Straße, und wenn es keine Straße ist, ist es ein Weg, und wenn es kein Weg ist, dann bedeutet das noch lange nicht, dass du da nicht langfahren darfst.

9. Polizeiabsperrungen sind ein interesanter Hindernisparcours zur Schulung der Geschicklichkeit des Fahrers und sollten daher mit möglichst hoher Geschwindigkeit durchfahren, d.h. absolviert werden. Fahrspuren sind irreführend. Pro Fahrspur können 3 bis 4 Fahrzeuge nebeneinander fahren.

10. Verkehrspolizisten sind ein staatlich finanzierter, ästhetischer Zusatz zur verkehrsatmosphäre. Sie dienen als unterhaltende Ablenkung, sind aber nicht relevant für die Verkehrführung.

Ein Glück, das wir unsere Führerscheine schoh haben, denn mit dem, was wir jetzt wissen, würden wir hier keinen mehr bekommen. Gleiches gilt übrigens für unsere Englischkenntnisse: Einerseits haben wir sie zwar ständig benutzt, andererseits haben wir sie dabei auch den örtlichen Eigenheiten angepasst, und das heißt: verstümmelt. Sätze wie „From where you are from?“, „It is half four.“ oder „Money not grow on trees“ waren keine Seltenheit und haben ihren Schaden angerichtet… 🙂

Das Projekt lässt sich nicht wirklich resümieren, vielleicht weil es doch noch nicht so ganz vorbei ist. Aber das, was bis jetzt passiert ist, war für uns ein ziemlicher Erfolg. Wir hatten die Einarbeitungs- und Kennenlernphase, wir hatte Ideen und haben sie umgesetzt (nicht alle, aber viele, und die auch noch recht durchschlagend), wir haben eventuell gute, mit Sicherheit aber bleibende Eindrücke hinterlassen sind in in einem Stück wieder aus der Sache herausgegangen und dabei ein wirklich gutes Team geworden. Der Wehrmutstropfen ist lediglich, dass unsere Ideen nicht ganz so weitergetragen wurden, wie wir uns das gewünscht hatten. Berichten unserer deutschen Kollegen in Bhubaneswar zu Folge wurden unsere Instrumente nicht mehr angefasst, seit wir weg sind, und auch sonst ist nicht mehr viel passiert. Das ist in unseren Augen sehr schade, aber wir konnten nicht mehr machen als zu versuchen, die Lehrer vor Ort zu motivieren. Wenn sie dann – aus was für Gründen auch immer – doch nicht weiter basteln und Musik machen, sondern wieder zum Ausgangszustand zurückkehren, dann müssen wir das eben hinnehmen. Für den Moment zumindest. Wenn wir so etwas wieder machen, dann werden wir halt noch mehr darauf achten müssen, dass die Menschen vor Ort den Nutzen daran sehen und sich einbringen.
Aber auch für dieses Mal sind wir noch nicht ganz fertig: Wir schreiben an einer Anleitung zur Aufbesserung des Unterrichtsangebots und der Lebensumgebung für Einrichtungen wie Chetana. Wenn das ganze fertig und druckreif ist, hat unser Chef zugesagt, uns bei der Verbreitung des Ganzen zu helfen, also vielleicht nimmt irgendwann entweder bei Chetana oder bei einer ganz anderen Einrichtung noch einmal jemand das Heftchen zur Hand und setzt einen Teil davon um – die Hoffnung stirbt bekanntlich zu letzt. Wir haben auch noch kiloweise Perlenarmbänder aus Chetana dabei, die wir in Deutschland verteilen wollen, um dabei die Menschen hier über Indien, die Situation behinderter Menschen dort und auch Chetana zu informieren und Spenden für die Kiddies zu sammeln. Wenn also jemand von euch sich gern eins der Perlenbändchen ans Handgelenk binden mag und/oder eventuell bereit wäre, einen kleinen Beitrag zu leisten, dann möge er sich bitte bei uns melden. Wir verkaufen die Bänder nicht, ihr könnt sie auch ohne Spende von uns haben 😉
Wenn wir das hinkriegen, wollen wir sogar einen kleinen Freiwilligendienst für Chetana einrichten, um eventuell doch noch zu erreichen, dass die Kinder hin und wieder ein wenig mehr gefördert werden. Außerdem wollen wir deutsche Kinder und die Chetanis zu Brieffreunden machen, selbst wieder hinfahren und und und… und wenn ich mir selbst so zuhöre, dann wird mir relativ deutlich, dass die Arbeit alles außer vorbei ist 🙂

noch zu haben 😉

Auf ein Wiedersehen!

Tja, damit sind wir wieder in der Gegenwart. Gerekulturschockt und mit hochgekrempelten Ärmeln sind wir wieder hier und haben noch längst nicht alles durchblickt, was Indien uns mitgegeben hat. Es war sicherlich eine unglaublich fordernde, oft auch schwierige Zeit, aber sie war schön, lehrreich und jede Sekunde wert. Wir haben menschlich und beruflich viel mitgenommen, und auch materiell profitiert: Unsere Zimmer quellen über vor indischen Decken,  Teppichen, Klamotten und jedem möglichen Kitsch, den wir in den nächsten Wochen unter geliebten Menschen verteilen werden, wenn wir das noch nicht getan haben.
Es war alles zusammen toll, und erwartungsgemäß ganz anders, als wir es erwartet haben. Die Arbeit war anders, das Nervige war anders, der Spaß war anders, das Essen und mit Sicherheit das Land waren anders als erwartet. Erwartungen sind ohnehin überbewertet 😉 Wir haben viel erlebt und versucht, einen Großteil mit euch zu teilen, und wenn es noch offene fragen gibt, dann bitten wir davon abzusehen, sie uns zu stellen. Holt euch lieber ein Ticket und seht es euch selbst an, betet zu Ganesh, tanzt mit Shiva, esst, trinkt, entdeckt und erlebt Indien. Erwartungsgemäß wird es ganz anders sein als bei uns.

Wir wünschen euch alles Gute und viel Spaß dabei. Vielen Dank dafür, dass ihr uns begleitet habt!
Inga und Robert

Time to say goodbye… ;)

Noch ist es nicht ganz zu Ende, noch sind eine Hand voll Tage übrig, NOCH…
Den theatralischen Abschied haben wir jedoch schon hinter uns. Die Inga fliegt am 12.12. von Delhi nach Hamburg, ich dagegen am 14.12. von Chennai nach Frankfurt. Die beiden Städte sind  eine gute Ecke (24 Zugstunden(mindestens)) voneinander entfernt, also haben wir uns schon verabschieden müssen, als wir uns von Darjeeling verabschiedet haben. Das heißt: Heute gibt es zwei Geschichten. Inga erzählt von ihrer Zeit im tibetischen Viertel in der Hauptstadt, von Laurence und dem weißen Schal, ich verlier ein paar Worte über den Vergleich Chennai am Anfang vs. Chennai am Ende der Reise, einer krassen Zugparty und Brendan, dem irren Iren 🙂

Okay, wenn man mehr als 4 Monate absolut jeden Tag zusammen verbracht hat, dann ist der näherrückende Abschied schon mehr als ein flaues Gefühl… Die Deja-Vus am letzten Tag in Darjeeling häuften sich. Das Packen der Taschen, der sehnsüchtige Blick vom Dach des Hotels, den man heute zum letzten Mal sieht (und der sich nochmal von seiner allerbesten Seite zeigt im Sonnenaufgang), die hektische Planung der Abreise, der Abschied von der Hotelbelegschaft, die wir mittlerweile doch recht gut kannten, die letzte, unruhige Nacht, der Aufbruch in aller Frühe, die Verhandlungen mit dem Jeepfahrer und schließlich die Abfahrt… alles schon einmal gesehen. Neu dagegen war die Besetzung des Jeeps. Mal ehrlich, wir haben ja schon recht viel erlebt, was die Kapazität indischer Fahrzeuge betrifft – von außen. Zum erstem Mal waren wir mittendrin, als der Platz knapp wurde und der Gehilfe vom Fahrer (der für das Auf- und Abladen des Gepäcks auf dem Dach zuständig war) es sich auf meinem Schoß bequem machte. Ich war müde, mir war es relativ egal, aber ich kann daher heute auch nicht mehr sagen, ob wir nicht ein klein wenig gekuschelt haben und ob mehr daraus werden könnte 😉
Immerhin: Wir kamen an, und zwar pünktlich, ein bisschen zu pünktlich vielleicht.
Abschiede bringt man am besten schnell hinter sich, aber das ist nicht so einfach, wenn man noch stundenlang am Bahnhof wartet…
Was macht den Abschied eigentlich so schwer? In unserem Falle war das zum größten Teil dadurch begründet, dass wir uns noch nie in Indien allein gefühlt hatten. Egal, was gerade schief lief, wir konnten uns immer aufeinander verlassen und uns unterstützen. Wenn einer grad gar nicht mehr weiter wollte, dann war der andere da zum gut Zureden und hat den gefühlstechnischen Wiederaufbau betrieben. Das war wichtig, in einem Land, dessen Kultur man besonders am Anfang nicht einschätzen konnte, in dem man recht rudimentäre Verständigungsmöglichkeiten benutzen musste und in dem man niemanden kannte. Die Vorstellung ,dass ausgerechnet diese Unterstützung jetzt wegfallen sollte, war schon ein wenig bedrückend…
Wie auch immer, wir vertrieben uns die Zeit am Bahnhof mit einem indischen Snack aus Marmorkuchen (Zucker, nichts als Zucker), Mangosaft (Zucker, nichts als flüssiger Zucker) und Chips (ungesund, aber zuckerfrei 😉 ), tauschten Erinnerungen und Zukunftsvisionen aus und drückten uns schüchtern näher an den Bahnsteig, wo Inga dann schließlich in den Zug sprang und abfuhr.

Weils so schön war- Ein letztes Mal Darjeeling

Roberts letzter Trip 😉

Und schon war ich allein, auf dem Bahnsteig in New Jalpaiguri. Was gibt es schöneres als warten, wenn man keine Ahnung hat, wo der eigene Zug fährt und vor allem wann er das tut? Ich stopfte mir dem mp3-Player so tief in die Ohren, dass er alle flauen Gedanken buchstäblich zerquetschte und drehte voll auf. Allein in Indien ist doch Mist…
Aber allein in Indien ist kurzer Mist. Es dauerte keine Stunde, da unterhielten sich immer wieder neue Menschen mit mir, erzählten mir von ihren Jobs und Familien, von ihrer Meinung zur politischen Situation in Darjeeling (die Forderung nach Unabhängigkeit wird lauter, dementsprechend werden die Sicherheitsvorkehrungen strenger und die Versorgung dünner, es ist ein wenig erschreckend – und jeder erzählt etwas anderes darüber, wie die Unabhängigkeit aussehen soll, aber kaum einer hat nen Plan), von Gott und der Welt und vielen anderen Dingen erählten, für mich Lautsprecherdurchsagen entzifferten und mit mitteilten, wann und wo mein Zug fuhr, mir Räucherstäbchen schenkten und mein kindisches Zittern gegen die Erfahrung ersetzten, dass man in Indien wohl kaum allein ist. Allein fiel es mir übrigens leichter, Gespräche anzufangen und ich wurde öfter und vor allem weniger oberflächlich angesprochen – das mag daran liegen, dass der Inder Inga und mich als Paar wahrnahm und deswegen etwas Abstand hielt.
Der Zug war zu spät, aber er fuhr, und ich stieg ein. Ich hatte ziemliches Glück, dass mein Waggon ausgerechnet von einer indische Hochzeitsgesellschaft belagert wurde. Es war herrlich. Indische Hochzeiten sind ja mehrere Tage (10 oder so) lang, und die Leute fuhren durch verschiedene Städte zum Feiern. Um den Zeitplan nicht zu kompliziert zu gestalten, feierten sie auf den Fahrten dazwischen einfach im Zug weiter, mit verbotenem Alkohol (der darf an öffentlichen Orten nicht konsumiert werden) und noch viel verboteneren Substanzen 😉 Nach ein paar Eisbrecherpromille spielten wir Trommel, sangen, füllten die Handys aller Beteiligten kontinuierlich mit allerlei dämlichen Fotos vom neuen Freund aus Good Old Germany, aßen vom Feinsten und taten alles erdenklich mögliche dafür, dass der Kater am nächsten Morgen möglichst grausam sein möge. Es war herrlich. Leider war im nächsten Waggon ein Ex-Militär, der Touris anquatschte und versuchte, auf die eine oder andere Weise an ihr Geld zu kommen. An mich kam er zum Glück Dank zahlreicher neuer Freunde nicht heran, aber ein bisschen auf die Stimmung schlug er trotzdem. Keine Ahnung ob er bewaffnet war oder was er gemacht hätte, wenn ich mit ihm mitgegangen wäre, aber schon die Tatsache, so einen Typen in der Nähe zu haben, nervt ja wohl.
Die Fahrt ging wie alles schöne zu Ende, und die Leute bedauerten es sehr, dass ich ihren Partymarathon nicht weiter mitmachen konnte. Ich übrigens auch, ich wette, es wäre sehr lustig geworden. Als korrekter Deutscher zog ich aber meinen Anschlusszug dem Anschluss an die indische Gesellschaft vor und war nach einem kurzen Stop in Kolkatta (richtig seltsames Gefühl, allein durch die Straßen zu schlendern, wenn man immer zu zweit hier war) unterwegs nach Chennai, wo ich vor mehr als 4 Monaten müde, verschreckt und voller Erwartungen angekommen war… es war ein seltsames Gefühl in einen Waggon mit gepolsterten Sitzbänken zu steigen und einen für mich reservierten Platz zu besetzen, obwohl ich vorher am Bahnsteig noch mit den Passagieren der „Holzklasse“ geredet hatte. Diese jungen Kerle standen in einer kilometerlangen Schlange vor dem Zug in der Hoffnung, dass sie erstens mit hineinkommen und zweitens am Zielort einen Job finden, der sie selbst und bestenfalls noch ihre Familien durchbringt. Keine guten Chancen, wenn man bedenkt, das täglich Tausende von Arbeitssuchenden genau das selbe tun. In der Holzklasse, wo sie manchmal sitzen, eher stehen und eventuell auch nur draußen an der Tür hängend mitfahren, verkaufen auch nicht ununterbrochen Händler Essen. Bei mir kamen sie dagegen in entnervender Häufigkeit vorbei, mixten Salate, gossen Tee auf und schälten Eier…
Im Zug traf ich dann auch Brendan aus Irland, seines Zeichens langjähriger Traveler von überall und nirgendwo, auf Erkundungstour durch eine Stadt, in der es nichts zu erkunden gab, wie er später herausfand. Immerhin, ich fand in ihm einen Zimmergenossen und war wieder einmal nicht allein.

Brendan

Am Anfang im August war uns Chennai ja doch recht nervig vorgekommen, exotisch bestimmt, aber eher abschreckend. Es war zu voll, zu laut, zu hektisch und zu dreckig, die Menschen waren fremd und das gleiche dachten unsere Mägen vom Essen. Als ich nun mit und ohne Brendan durch die Straße spazierte und zeichnete, schienen plötzlich alle zu lachen, der Dreck fiel nicht weiter auf, dafür aber das bunte Gemisch aus Menschen und Umgebung, das wirklich leckere Essen und die allgemein gute Stimmung. Sicher, touristisch ist Chennai nicht viel wert, und jeder Rikshafahrer, der einen anspricht, scheint ganz selbstvertändlich davon auszugehen, dass man zum Flughafen möchte, denn welches Ziel könnte man schon haben außer weg, weg und nochmals weg? Brendan war davon auch recht genervt, er maulte die Leute an und wunderte sich über ihre negative Reaktion, er wollte Indien entdecken und merkte nicht, dass er mittendrin stand, mittendrinner denn je quasi 😉
Wir haben einen Spaziergang gemacht, um Cafés, Tempel, oder sonstwas zu finden, und nichts war da, wo es sein sollte, aber die vollen Straßen, wo die Menschen eher zu improvisieren als eigentlich zu fahren scheinen, die randvollen Obststände, wo „Feilschen!“ auf dem Preisschildern steht, das seltsame Ensemble aus beinlosen Bettlern, benachthemdeten Muslimen, Polizisten, buddhistischen Mönchen und einer schier endlosen Masse an schlanken gutaussehenden Typen in Hemd und Jeans, von denen niemand zu wissen scheint, was sie nun eigentlich hier zu suchen haben… das war einfach ein runder Abschluss, und ich hab mich ziemlich wohl gefühlt dazwischen. Besondere Erlebnisse? Nö, eigentlich nicht. Ein paar nette Filme am Abend (das erste Mal, dass ich den Hotelfernseher in Aktion erlebt habe), ein paar Schritte vor der Tür, ein paar nette Skizzen von Leuten, mit denen ich ins Gespräch kam.

Es war einfach entspannt und schön, und diese Stimmung hätte ich auch mit nach Hause genommen, wäre da nicht…
Wäre da nicht ein Päärchen Typen in Uniform gewesen, die der Meinung waren, ich müsste beweisen, dass ich das Recht hatte, die Eincheckhalle zu betreten. Leider konnte ich mein Onlineticket nicht wirklich vorzeigen, weil nämlich das Tolle an dem Ticket ist, dass man’s nicht mit sich rumtragen muss. Das war aber anscheinend noch nicht bis zu dem ollen Pistolenschwinger durchgedrungen, auch das Argument, dass ich ja wohl spätestens am CheckIn rausfliege, wenn ich nicht auf der Passagierliste stehe, zählte nix… Also, nehmt immer einen Ausdruck der Bestätigung eures Onlinetickets mit, um den Stress (und die horrenden Internetcafégebühren am Flughafen, plus Ausdruck; ein Glück dass ich noch ein bisschen Geld dabei hatte 🙂 ) zu vermeiden.
Naja, so ein Interkontinentalflug kühlt das Gemüt wieder ab, zumal man bereits im Flugzeug endlich wieder bedenkenlos Fleisch essen konnte. Dementsprechend war ich auch wieder besser gelaunt, als ich in heil und gesund ankam, noch besser wurde es, als meine Eltern mich wie versprochen tatsächlich abholten, aber der absolute Hammer war es, dass sie auch noch Freunde von mir dabei hatten und ich meine eigene Mini-Willkommensparty am anderen Ende von Deutschland bekam. Vielen Dank dafür, und wenn ich schon dabei bin, auch danke an alle Unterstützer, Gutzureder, Päckchen- und Briefeschicker und natürlich die Mitleser!

Das beste Fortbewegungsmittel überhaupt 🙂

Und nun zu Inga:

Ich hab meine letzte Zugfahrt ganz dekadent in der ersten Klasse verbracht- Zumindest dachte ich das! Wie sich im Nachhinein herausstellte war es eigentlich die dritte und damit günstigste Klasse dieses (wie ich nicht wusste) sehr besonderen Zuges. Mein Hauptziel war es nach Delhi zu kommen und dieses verhältnismäßig teure Ticket war das einzige, das ich kriegen konnte.
Der Zug ist, wie ich im Nachhinein erfuhr, aber sehr bekannt für seine Sicherheit und besonderen Luxus und man muss normalerweise Wochen vorher das Ticket bestellen, um überhaupt eines zu bekommen- All dies wusste ich nicht und hatte deshalb einfach Glück.. Im Nachhinein wundert es dann aufgrund des Sicherheitsaspektes auch nicht mehr, dass etwa 20 Militärs mit riesengroßen Kniften mit einstiegen und vor Beginn der Fahrt durch alle Waggons streiften. Die Fahrt geht unter anderem durch Bihar, dem ärmsten und gleichzeitig instabilsten Bundesstaat  Indiens.. und auch gefährlichsten, da hier die maoistischen Rebellen besonders aktiv sind und besonders gern Züge überfallen. Da kann es auch mal passieren, dass der Zug die ganze Nacht nicht fährt, da Gleise sabotiert wurden usw. Bei mir ging aber alles gut und auch ich hatte genug Gesellschaft, die im Zweifelsfalle geholfen hätte!
Nun was unterscheidet diesen Zug von anderen? Zunächst hat er Türen, die während der Fahrt geschlossen sind.. Es gibt also keine Essens-, Chai- und was-es-sonst-so-alles-gibt-Händler die an den Stationen zusteigen und verkaufen (sehr schade!) und mein Plan nach Ablage des Rucksacks nochmal schnell auf den Bahnsteig zu hüpfen und im Zweifelsfall wieder aufzuspringen wenn der Zug losfährt (was sonst kein Problem und äußerst spaßig war) ging damit auch nicht auf.. Auch das sonst übliche Rauchen während der Fahrt an der offenen Tür wurde den Rauchern damit verleidet.. Weiterhin gab es für jeden Bettlaken, Bettdecke, und Kissen. Außerdem natürlich eine Klimaanlage und Vorhänge vor den Betten, so dass man sich zurückziehen konnte.. und dann gab es Essen! inklusive! unerwartet und niemals vorher gesehen! und es hat tatsächlich auch noch geschmeckt! Alles inklusive bei 24 Stunden Fahrt und das für ungefähr 30 Euro- die deutsche Bahn sollte sich wieder mal..-aber lassen wir das.
Ach ja wie angedeutet war dies „nur“ die dritte Klasse. Hier gab es ganz normal 6 Betten auf der einen Seite und zwei gegenüber.. In der zweiten Klasse gibt es wohl jeweils nur noch zwei statt drei Betten übereinander und in der ersten Klasse sogar Einzelkabinen.

So saß ich dann nach kurzer Diskussion über richtige Platznummern und dem Verstauen meines bis zum Rand gefüllten Riesen-Rucksacks allein im Zug in die Riesenstadt Delhi, vor der es mir zugegebenermaßen ein wenig graute.. Zumal ich noch kein Hotelzimmer gebucht hatte und wie Robert schon sagte- eben allein war ;O)
Aber auch bei mir währte dieser Zustand nicht allzu lange.. Ich saß da und schaute aus dem Fenster, emotionsüberladen und sentimental, und konnte mir die Tränchen kaum verdrücken. Dieser Anblick, die weiten Felder, die Menschen in den bunten Saris, die Tiere, die Palmen, die Berge, die Flüsse- all das zum letzten Mal! -Da kann man schon mal melancholisch werden! und dies war ich sehr, zumal ich doch eigentlich noch gar nicht so recht zurück nach Deutschland wollte! Das rief nun mein Gegenüber auf den Plan. „My dear, you´ll have to explain me why you´re crying“ sagte er und so kamen wir ins Gespräch. Er war ein älterer Herr mit dunkler Haut, grauen Haaren und weißem Bart und einer Reibeisenstimme, die sich gewaschen hatte. Erste Vermutung- Der Mann muss Jazz mögen und machen, Singen und Saxophon spielen. Ob das der Fall war, habe ich nicht rausgefunden, dafür aber einiges anderes. Krishnan (so hieß er) kam aus Mauritius und hat schon die ganze Welt bereist, seine Jugend verbrachte er aber in Indien und dort zog es ihn immer wieder hin.. Wenn er nicht durch die Gegend reist macht er irgendwas mit Geld und Banken und Politik und vor kurzem wurde ihm eine Ministeriumsstelle auf Mauritius angeboten.- wer weiß vielleicht habe ich ja mit dem zukünftigen Prime-Minister von Mauritius gesprochen 😉
Wir sprachen über vieles, Indien und die Welt, diskutierten, philosophierten über das Leben- Seine Lebensphilosophie: „Be happy to make others happy!“ So holte er mich raus aus der Melancholie und langsam blickte ich mit Vorfreude auf Delhi.. Beim Einfahren in die ersten Suburbs passierten wir übrigens einen Güterzug, voll mit Containern von „Hamburg Süd“! Ein Zeichen?! 😉

Ich hatte nun also gerade beschlossen, dass das mit dem Hotel schon nicht so schlimm sein wird und darauf zu vertrauen, dass wie Eva immer sagte „Alles im Fluss ist“, da tauchte kurz vor dem Bahnhof ein anderer Weißer auf, der mich fragte wohin ich will. Ich sagte wahrheitsgemäß „No Idea“… Er ging weg und tauchte kurz danach wieder auf und fragte ob ich nicht Lust hätte mit ihm ins tibetische Viertel zu kommen. Er würde dort jemanden kennen, der ein günstiges Zimmer besorgen würde. Dies klang für mich nach der Zeit im ebenfalls tibetisch angehauchten Darjeeling natürlich großartig und ich sagte ja. Und der Fluss floss! 🙂

Laurence ist Mitte 50/Anfang 60, Althippie, mit 23 das erste Mal in Indien gewesen und gleich für 5 JAhre geblieben.. Damals mit zwei Freunden, einer Katze und kiloweise Haschisch auf dem Fahrrad unterwegs.. Seine Freunde wollten nach Sri Lanka, er und die Katze sind weiter durch Indien geradelt.. Hier traf er seine große Liebe, eine Deutsche, die vorher auf den Opium-Plantagen in Afghanistan gearbeitet hatte und nun mit afghanischen Freunden durch Indien zog. Die beiden verliebten sich und zogen von dort an gemeinsam mit einem Ochsenkarren und sonst nichts zu Fuß durch Indien. Sie waren in Dörfern wo nie zuvor ein Weißer gewesen war, wurden manchmal gefeiert- manchmal aber auch verjagt und waren mehrere Jahre unterwegs bevor sie in einer Höhle ganz in der Nähe von Hampi (ja dort wo wir auch waren, die Stadt mit den vielen Tempeln) gelebt haben. Unterwegs haben sie geheiratet in einem kleinen Dorf, wunderbares Hochzeitsfoto mit langen Haaren und Rauschebart. 🙂
Irgendwann hatten sie aber gar kein Geld mehr und waren wirklich „broken“ wie er sagte und wollten zurück nach Europa. Dafür brauchte Laurence aber erstmal einen neuen Pass, er hatte nämlich keinen mehr.. Bei der englischen Botschaft (ach ja er ist Brite, aus Newcastle und lebt inzwischen in Kanada) erzählte er dann seine Geschichte- Die Antwort war „Ach Sie sind das!“ Inzwischen hatten er und seine Frau nämlich scheinbar einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht („Die Weißen die leben wie die Armen“) und waren in einigen Zeitungen beschrieben worden.. Naja jedenfalls bekam er seinen Pass und es ging zurück nach Europa, nur mit den Kleidern, die sie am Leib hatten und ein paar selbstgebauten Instrumenten, die nach der Landung nicht mehr auffindbar waren.. Vermutlich weil Laurence im Spaß zu einem Mitarbeiter am Flughafen gesagt hatte, dass dieses Bündel (ja ein Stoffbündel war es) besonders wertvoll wäre.

Long story short, sie zogen gemeinsam durch Europa, von Griechenland über Deutschland nach Frankreich und Spanien und dort stieg seine Frau eines Tages in ein Auto und ward nie wieder gesehen.. Die Reise nach Europa war mit einem Opium-Entzug für sie verbunden und er vermutet, dass dieser eine Schizophrenie ausgelöst hat.. Sie hatte Panikattacken, Wahnvorstellungen usw. Aber er ist überzeugt irgendwann wird er sie wiedersehen, auch wenn das alles schon mehr als 20 JAhre her ist. 🙂
Inzwischen hat er eine weitere Ex-Frau in Kanada, zwei Söhne, eine Freundin.. hat neben den besagten Ländern in Japan und Südamerika und in den USA und natürlich in Kanada gelebt.. und fährt immer wieder zurück nach Indien.
Irgendwann ist er zum Buddhismus übergetreten und hat nun zuletzt ein Jahr lang in Bhutan in einem buddhistischen Kloster gelebt und dort Englisch unterrichtet. Ich war die erste Weiße mit der er seit mehr als einem Jahr gesprochen hat! und er hat mich übrigens lustigerweise auch nur angesprochen, weil die Inder, die im Zug um ihn herumsaßen, ihm erzählten, dass da eine „western lady“ ganz allein im Zug säße und dass er sie doch mal fragen sollte, ob sie Hilfe bräuchte.

Warum erzähl ich das alles so genau? Es war einfach eine wunderbare Begegnung, bei der ich viel gelernt habe, unheimlich spannende Geschichten gehört habe und einfach eine Menge Spaß hatte. Und sehr sehr schöne Gespräche! Abgesehen davon hatte ich so die Möglichkeit das tibetische Viertel in Delhi kennenzulernen, wo ich sonst wahrscheinlich nie hingekommen wäre. Es ist ein ganz kleines Viertel zwischen großen Mauern, das mich doch sehr an Darjeeling erinnert hat. Dieselben Schals und Handschuhe an den Verkaufsständen, ähnlich aussehende Menschen, die selbe Offenheit, überall die Mönche in ihren roten Kutten und natürlich Gebetsfahnen.

Buddhistische Gebetsfahnen im Park

Hausbau

Hausbauer

Laurence zeigte mir auch den Tempel und erzählte mir einiges über den Buddhismus.

Die vier wichtigsten Männer des Buddhismus

..und auch er darf natürlich nicht fehlen!

Laurence an der Gebetstrommel- diese wird beim Verlassen des Tempels dreimal gedreht

Außerdem waren wir shoppen.. Ich hatte mir fest vorgenommen, nichts mehr zu kaufen, weil eh nichts mehr in meinen Rucksack passen würde-naja ich habe das Gegenteil bewiesen- Also wenn mal jemand Packhilfe braucht, würde behaupten ich bin Meisterin! ;O)

Unser Hotel, wo wir in nem kleinen Schlafsaal schliefen, war genau am zentralen Platz im „tibetan quarter“, direkt gegenüber vom Tempel. Als wir ankamen, war grad ein kleines Volksfest auf dem Platz. Es wurde gegessen, gelacht und gewettet. Vor allem gewettet, Alles stand versammelt um ein Brett und setzte Geld auf Symbole die gewürfelt wurden. Laurence wollte es auch probieren und hat glatt 100 Rupies verloren. -Eigentlich wollte er nur 20 setzen, da hieß es aber, damit sollte er zu den Kindern an den anderen Tisch gehen 😀
Also Mindesteinsatz 100 Rupies, und es war unglaublich was da an Geld über den Tisch ging- Es flogen tatsächlich 1000er!

Der Blick aus dem Fenster

hier wird gewürfelt

Ansonsten liefen wir durch die Straßen, besuchten einen Sikh-Tempel und fanden noch einmal typische indische Straßen, wo sich selten Westler hinverirren und fielen dementsprechend auf (Einige Kinder spielten ein SPiel, bei dem es darum ging wer als erstes 100 Unterschriften von Touristen gesammelt hat, ich war die Nummer 72), aßen noch einmal all das liebgewonnene Essen (wie Alu Gopi, Puri, Momos), tranken Chai, machten Fotos, wurden fotografiert, kauften letzte Geschenke, fuhren Ricksha, redeten über Indien und die Unterschiede zu Europa, philosophierten über das Leben und hatten einfach eine großartige Zeit. Großartig war übrigens auch, dass wir ebenfalls einen Fernseher im Zimmer hatten. Und dass Laurence aus Newcastle damit die Möglichkeit hatte, das Fußballspiel Newcastle gegen Manchester zu sehen. Und ich wiederum die Möglichkeit hatte ihn dabei zu sehen! Großartiges Schauspiel! Übrigens habe ich dabei noch festgestellt, dass unsere Freunde Appy- und Grappo-Fizz auch eine Fernsehwerbung haben!

Der Sikh-Tempel

Vor Betreten des Tempels Hände und Füße waschen und den Kopf bedecken

Krishna wirbt für Eiskrem

Es war ein wunderbarer, bewegender Abschluss für eine großartige Zeit in Indien und hat den Abschied nur noch etwas schwerer und die Lust irgendwann wieder nach Indien zurückzukehren nur nochmal größer gemacht.
Übrigens sind wir auch Metro gefahren. Habt ihr schonmal Bilder von der U-Bahn in Tokyo gesehen? Wieviele Menschen dort auf engstem Raum in der Bahn stehen? Tja in Delhi gibt es auch eine Metro.. Die ähnlich viel genutzt wird. Auch wir haben diese Metro benutzt, dummerweise mit vollem Gepäck- Das war ein Spaß sag ich euch, also wer in Delhi einen Adrenalin-Kick sucht, sollte es mal in der Metro versuchen. Anbieten tun sich mann-große Reisetaschen oder aber gut befüllte mind. 20 Kilo-schwere Backpacks.

Der letzte Sonnenaufgang...

Zum Abschied bekam ich ein besonderes Geschenk- einen weißen Schal mit bestimmtem buddhistischen Zeichen darauf. Dieser ist eine Art buddhistischer Segensgruß, der Reisenden mit auf den Weg gegeben wird und ihnen Glück bringen soll. Man kann ihn auf jede neue Reise wieder mitnehmen. Als ich nun also mit meinem Rucksack und dem Schal um den Hals durch die kleinen Gassen des Viertels lief, wurde ich von ganz vielen gegrüßt, die das Zeichen erkannt haben, sie wünschten auch nochmal eine gute Reise- der perfekte Abschluss für eine wunderschöne Zeit in Indien! In diesem Sinne-

Namaste!

No Go(a)

Es wäre durchaus passend, den heutigen Blog mit herzlichem, Mark und Bein durchdringendem, trommelfellerschütterndem, schneelawinenauslösendem, aber dennoch lieblichem oder wenigstens lieblich gemeintem Jodeln zu beginnen 🙂 Gemäß der Aussage unseres Chefs befinden wir uns nämlich in den asiatischen Alpen: Dem Himalaya. Wir haben noch einmal etwas Freizeit, bevor wir die Backpacks packen und uns wieder in den Flieger setzen. Und wie schon angekündigt, verbringen wir diese in Darjeeling.
Berechtigte Frage: Wir sind auf einem der unter Travelern angesagtesten Terrains, und dieses Terrain ist reisengroß und bietet noch einen Riesenhaufen neuer, unvorhersehbarer Entdeckungen für uns – wieso also fahren wir noch einmal wohin, wo wir schon mal waren?
Na gut, zu unserer Verteidigung, das war eigentlich nicht der Plan. Wir wären ursprünglich nach Goa gereist, bekannt für sonnige Strände, entspannte Atmosphäre und kleine grüne Rauchwölkchen über den sonnigen Stränden, die die entspannte Atmosphäre … unterstützen sollen. 😉 Leider waren trotz der überragenden Größe indischer Züge, die der Deutschen Bahn gern zum Vorbild gereichen darf, keine Fahrplätze mehr frei, außerdem ist unser Entdeckerdrang für den Moment erstmal gestillt (unbekannte indische Großstadt – nein, danke), also versuchen wir unsere gemeinsame Zeit hier so schön wie möglich zu beenden, und das tun wir natürlich an dem schönsten Ort, den wir kennen: Darjeeling. Wahrscheinlich auch der Ort mit der beschwerlichsten An- und Abreise, aber das war’s doch das letzte Mal wert, oder? Mal sehen.

Beginnen müssen wir ohnehin etwas früher, und zwar bei unserem Abschied bei Chetana. Wie das vielleicht letztes Mal angeklungen ist, lief alles ziemlich hektisch ab. Bis zum letzten Tag wurden Anleitungen geschrieben, Lehrer mit unserer Arbeit vertraut gemacht, mit Kindern gearbeitet und zwischendurch ellenlange To-Do-Listen abgearbeitet mit all dem Kleinkram, der zwischendurch noch so anfällt. Wir hatten eine Abschiedsfeier auf dem Plan, und ehrlich gesagt war ich dann an unserem letzten Nachmittag, als wir mit ach und krach alles in Sack und Tüten hatten und das Stressometer mal wieder den Absprung von der Messskala geschafft hatte, nicht mehr wirklich in der Stimmung für’s Party organisieren. Aber Indien wäre ja nicht Indien, wenn man sich hier von solchen Dingen die Stimmung vermiesen lassen würde, nicht wahr? Und als Inga mich daran erinnert hatte, ging der Rest wie von selbst 🙂

Stefan und Nina (die anderen Deutschen, die bei Chetana arbeiten) hatten eben ihren Ofen fertig gestellt und machten Pizza. Ja, das stimmt wirklich, Pizza für sämtliche Kids, und lecker war sie auch! Die Kinder pusteten unterdessen alle Luftballons auf, die den Transport von Deutschland überstanden hatten (also etwa 10 von 200), und Emma und Caro (die anderen beiden anderen Deutschen, die dei Chetana arbeiten) legten digital konservierte Mucke auf, und wir sagten AB GEHT DIE PARTY UND DIE PARTY GING AB!
Der Höhepunkt war die Ausgabe der sphärischen farbstoffversetzten Saccharidaggregationen, kurz Lollys. Wir haben’s versucht, wir haben’s wirklich versucht… den Kindern zu sagen, sie sollen das Zeug nicht kauen. Die Antwort war meist ein überlautes Knacken, das wohl zu gleichen Anteilen durch zerkaute Lollys und abbrechende Zähnen verursacht wurde, passend zum Beat der Musik… Yeah!

me and my bros

da roof, da roof, da roof is on fire..

Auch der Abschied von den Chefs verlief schön – wie sollte es auch nicht schön sein, für seine Arbeit gelobt zu werden. Tja, und dann war es Zeit, die letzte, melancholieüberladene Runde zu drehen, ausgehend von unserem Zimmer, vorbei an der Werkstatt, den Klassenräumen, dem Innenhof und demSpielplatz, ab ins Taxi, von den winkenden Händen weg und hin zum Bahnhof. Ich mag lange Abschiedszenen nicht, also war der Aufbruch um 4:30 morgens passend.

Hier zur Abrundung noch die Fotostory  „Was sonst noch geschah“:

Aufbruchsstimmung- Der Spielplatz wartet

Großzügig- Mietfreie Mitbewohner auf dem Kopf

Körperkunst

Abschied von Kuna

Bhubaneshwar, 26 Grad, 1. Advent, Stollenessen

Abschied vom Chef

Abschied von den Kindern

Corrum-Spiel

Bye Bye Chetana

Die Reise… jaja, man gewöhnt sich bekanntlich an fast alles. Also ging es gechillt nach Kolkatta, wo wir ein paar Stunden Aufenthalt im Park verbrachten, wie schon das letzte Mal. Und weiter ging es nach New Jalpaiguri, wo wir uns nen Jeep suchen mussten. Es waren vielleicht nicht so viele Touris da wie sonst, auf jeden Fall war der Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Fahrern relativ heftig. Unsere erste Wahl wurde durch einen anderen Jeep schlicht so sehr beim Losfahren blockiert, so dass wir umsteigen mussten. War im Nachhinein betrachtet vielleicht auch nicht ganz falsch, denn der neue Fahrer roch nicht nach billigem Fusel und hatte auch nicht so kleine, rote Augen wie der andere 🙂 Der Hahnenkampf zwischen den beiden war auch überaus lustig anzusehen, immer wieder wurden Taschen auf- und abgeladen, mehr oder weniger nette Kommentare ausgetauscht, während einen Stellplatz weiter ein Fahrer einen 100-Rupee-Schein benutzte, um damit Benzin in seinen Tank zu füllen. Und los ging’s…

Da sind wir also, noch einmal in Darjeeling, wo der Tee nie zur Neige geht und Indien eigentlich gar nicht mehr so nah ist wie im Flachland. Der Markt ist der selbe, die Menschen sind die selben, all die niedlichen Häuschen stehen noch an ihrem Platz und die Hotels haben noch die selben ulkige Namen, wie etwa „The Matterhorn“ 🙂 Wir sind indes auch noch die selben inaktiven Touristen, denen die Stimmung und die Entspannung mehr wert sind als Das Herumgehetze von einem Denkmal zum nächsten, also haben wir nach wie vor Spaß an langen Spaziergängen durch die Straßen, gutem Essen und dem Ausblick vom Dach. Letzteren genießen wir mittlerweile recht regelmäßig, da ich immer noch damit beschäftigt bin, Inga die Läuseeier vom Kopf zu pulen. Eine Arbeit, die wunderbar für Teambuilding geeignet ist und die man beinahe meditativ betreiben kann 😉

Der Canchenjunga...

...oder auch "Ganzschönkaltda"

und der Rest

Wenn wir wieder da sind, werden wir außerdem in der Lage sein, einen jeden von euch mit Momos zu versorgen. So heißen tibetische Teigtaschen, die mit Gemüse, Fleisch und allerlei anderem mehr gefüllt sind und außerordentlich gut munden. Die haben wir nämlich in einem kleinen Kochkurs zubereiten gelernt und werden das Rezept auf jeden Fall wieder bemühen, sobald es Gelegenheit gibt 🙂

Man nehme Ingwer, Möhren...

...Weißkohl und Zwiebeln für die Füllung,...

...knete den Teig gut durch...

...forme Kügelchen und rolle diese aus...

... und befülle sie mit der Gemüsemischung.

Je größer die handwerkliche Begabung, desto komplizierter die Falttechnik.

Nach dem Dünsten, reinhauen!

Der Meister

Die größte Neuentdeckung auf dem Gipfel des Teeberges ist allerdings der Zoo. Wahrscheinlich haben die meisten Tiere auch hier nicht wirklich genug Platz (in welchem Zoo ist das schon so… ?), aber es könnte den meisten schlimmer gehen und in jedem Fall sind sie allesamt schön anzuschauen.

Der Himalya-Bär (auch Kragen-Bär)

Der rote Panda

Das Yak

Der Iro-Vogel (Ähnlichkeiten mit Blogautoren sind rein zufälliger Natur)

Der Regenbogen- Vogel (Ähnlichkeiten mit Blogautorinnen...) 😉

Das Blauschaf (woher auch immer der Name kommen mag..)

der Tijer

Der Wolf

Allerdings kann auch die schöne entspannende Stadt nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ende der Reise und die Rückkehr näher kommen. Wir verbringen die meiste Zeit damit, über Sinn und Unsinn unseres Projektes zu diskutieren, über schöne und weniger schöne Erlebnisse, über die Menschen, die unseren Weg ein Stück begleitet haben und die wir vielleicht einmal wiedersehen werden und darüber, was wohl passiert, wenn wir wieder zu Hause sind. Zu alldem gibt es viel zu sagen, unterm Strich bleibt aber jedes Mal übrig, dass wir hier eine ganz besondere Zeit verbracht haben, deren Erfahrungen uns von nun an ständig begleiten werden – und vielleicht noch mehr 😉
Wir freuen uns natürlich sehr auf unsere Heimat, Familien und Freunde, aber andererseits ist es hier auch fast ein bisschen zu schön, um wieder los zu wollen… in dieser lahmarschige Art von Melancholie, zu der ihr mit Recht sagen werdet „Kriegt euch gefälligst ein, ihr theatralischen Laberbacken!“, verbringen wir die meisten Tage und Abende. Und damit ihr’s wisst: in der selben lahmarschige Melancholie werden wir euch auch live und in Farbe volltexten, wenn wir erstmal wieder da sind 😉
Für den Moment reicht uns aber als Erheiterung, unserem Hotelier bei der Enkelkindererziehung zu helfen: Die Kleine hat Angst vor meinem Bart, also hab ich jedes Mal aufzukreuzen, wenn das Würmchen sein Breichen nicht essen will XD Der Oppa hat sogar ein Handybild von mir gemacht, um es dem Kindel zu zeigen, wenn es nicht artig ist. Wir lernen also: Bärte sind pädagogisch wertvoll 🙂

Naaaa, warst Du auch artig?

Diesem gelungenen Schlusssatz ist schwerlich noch etwas hinzuzufügen, also lassen wir für heute die Tastatur ruhen und gönnen euren Augen ein wenig Entspannung… Bis bald 🙂

übrigens war es kalt in Darjeeling..

...0-10 Grad, ohne Heizung 😉

Pearls Pearls Pearls

Wir könnten fragen, was es neues gibt. Das würde allerdings voraussetzen, dass das, was wir euch heute gern als neu verkaufen möchten, nicht kalter Kaffee von Mitte November wäre. Soll heißen: Wir wissen, dass wir uns ne ganze Weile nicht zu Wort oder Bild gemeldet haben, aber um der ganzen Sache wenigstens noch den Anschein eines halbwegs runden Abganges zu geben, werden wir wie verrückt in unseren Erinnerungen kramen und mittelalte Geschichten noch einmal aufwärmen. Dabei tun wir natürlich so, als wären uns all die lustigen Geschichten heute oder aber allerhöchstens gestern passiert und nicht etwa … naja, eben Mitte November. 😉

Der Stand der Dinge: Wir sind soeben (und nicht etwa schon … naja, Mitte November) aus Darjeeling und damit aus der Auszeit zurück und befinden uns schlagartig im Endspurt unseres Projektes bei Chetana.
Mehr und mehr müssen wir uns dabei kleiner aufmunternder Hilfen bedienen: die Rede ist vom Cafe CoffeeDay. Ein bisschen sehnen wir uns ja schon nach der Heimat, und der Geschmack der (für den Inder sündhaft teuren) Süßspeisen verdrängt die Sehnsucht und gibt neuen Elan.


Den brauchen wir auch, denn je näher der Abreisetag rückt, desto mehr werden uns die Aufgaben klar, die wir noch zu erledigen haben.
Kennt ihr dieses Gefühl? Ihr schreibt eine Klausur oder Klassenarbeit, die Zeit vergeht, alles plätschert dahin und die Vorgänge in eurem Hirn wären beispielsweise mit verrosteten Uhrwerk, dem ein paar Zahnräder fehlen, angemessen illustriert. Demenstsprechend spärlich beschrieben sieht der Zettel vor euch aus. Dann aber, sobald die Ansagen „So, noch 5 Minuten, dann sollte aber auch wirklich alle fertig sein“ durch die Bankreihen schallt, fallen euch die Schuppen von den Augen und die guten Antworten ein, ihr beginnt nur so zu sprühen vor Ideen, während bereits die ersten Arbeiten eingesammelt werden…
Tja, und so geht es uns mit den letzten Wochen in Chetana. Da waren FÜhlwände mit immer neuen Materialien und Motiven zu gestalten und fertig zu machen. Da waren nach wie vor die Musikklassen zu geben und Instrumente zu bauen. Es hagelte regelrecht Ideen zur Gestaltung der Gemeinschaftsbereiche und Treppenhäuser. Außerdem waren Abschlussgespräche zu planen und eine Anleitung zu schreiben, die unsere Arbeit und deren Sinn erklärt und hoffentlich dazu animieren wird, dass das alles weitergeht. Um alles gebacken zu kriegen und hin und wieder auch eine Minute für die Kiddies oder gar uns selbst zu haben, mussten wir manchmal unsere eigenen Ansprüche ein gutes Stück zurückschrauben.
Jedoch: Die Fühlwände hängen und der mit Kleister und Farbe verklebte Reis, der darauf verarbeitet ist, wird bereits abgeknabbert (das steht zwar entgegen der eigentlichen Intention und ist vielleicht auch nicht unbedingt eine wertvolle Ergänzung des Ernährungsplan, aber es zeigt Interesse, und das ist wichtig 😉 ).

El Chandan famoso

Das Treppenhaus ist dekoriert mit Traumfängern, Bommeln, Männlein und den aus Draht und Wolle Hergestellten Lettern C H E T A N A. Das erkennt zwar niemand auf Anhieb, aber sobald man es erklärt hat, sind alle begeistert 😉

C-H-E-T-A-N-A (von oben nach unten) ist doch nich so schwer, oder? 😉

Clash of cultures- Traumfänger meets India

Inga schreibt wie verrückt an der Anleitung herum und wird bestimmt am letzten Tag kurz vor zu spät gerade noch so fertig (das ist nur eine Prognose, denn wir reden ja von aktuellen Ereignissen und nicht irgendwelchen ollen Kamellen von … beispielsweise Mitte November oder so).

Damits nicht in Vergessenheit gerät- Der Happy Song!

Die Musikklassen werde dadurch erschwert, dass regelmäßig nachmittags der Unterricht ausfällt, aber sie laufen. Täglich. Fast.
Die Abschlussgespräche sind – entgegen unseren Befürchtungen – zumnindest etwas mehr als das bloße Austauschen von Höflichkeiten: Unsere Chefs und die Lehrereschaft sind meistens doch interessiert und lassen uns hoffen, dass unsere Ideen nicht mit uns wieder verschwinden.

pearl, pearls, s. Titel

Aber was ist nun der aktuelle (und nicht etwa veraltete, weil schon Monate vergangene) Fokus unserer Arbeit? Der Titel verrät es: Wir arbeiten mit Perlen. Vielmehr lassen wir mit Perlen arbeiten 🙂 In unserem Zimmer  befinden sich mehrere Kilo Plasteperlen, und die werden zu bunten, flippigen Armbändern gemacht. Das war früher zu Hause cool, also ist es das hier und jetzt auch! (und findet Anklang in Kreisen wo man es gar nicht erwartet hätte: Die größten Fans der Armbänder sind die großen Jungs, die wir zugegebenermaßen anfangs gar nicht so sehr für die Armbänder eingeplant hatten.. Weil Schmuck doch sonst immer uncool ist?! Wir wurden diesbezülich aber eines Besseren belehrt, als wir auf dem Schulhof von den Großen umringt wurden und alle auf ihre Arme zeigten und eben Armbänder wollten..)
Die meisten Kinder haben schon ihre eigenen Bänder, einige haben auch schon eigene Stile entwickelt. Somanat ist beispielsweise nicht zufrieden, wenn seine Armbänder nicht eine getreue Abbildung der indischen Flagge darstellen 🙂 Die Bändchen sind auch eine beliebte Tauschware: Jeden Tag haben sie den Besitzer gewechselt, manchmal tragen Kinder Bänder, die noch keine gemacht haben, und ein paar Tage später wird alles wieder zurückgetauscht. Leider sind wir nicht selbst in das komplexe Gefkecht aus Handelsbeziehungen der Kinder von Chetana eingedrungen, aber es scheint sich zu lohnen. Ich würde das Thema spontan als Doktorarbeit vorschlagen : „Schwarzmarkt Chetana – Perlen, Ponbons und Plechautos“ oder so.

Auch die Großen habens gelernt..

Engelsgeduld 🙂

Aber damit noch nicht genug: Die Kinder knoten und fädeln viel mehr zusammen als sie tragen können, wollen und dürfen, also haben wir die Idee, den Überschuss mit nach Deutschland zu bringen und unter die Leute zu bringen. Bei der Gelegenheit ließe sich auch gleich über Chetana informieren und ein paar Spenden im Tausch gegen stylische Armbänder aus Indien einwerben – aber das ist ja alles noch Zukunftsmusik 😉

Tja, und dann? Dann haben wir noch etwas Zeit zwischen Projektende und Heimreise. Und dann haben wir eine Lieblingsstadt. Sie heißt Darjeeling, vielleicht haben wir den Namen ja schonmal fallenlassen… 😉 Im Klartext: nach unserer Workaholicphase fahren wir noch einmal in den Norden bis kurz vor den Himalaya, bevor sich unsere Wege schließlich und letztendlich trennen 🙂

Soweit das Update für heute, ich darf aber hinzufügen, dass es bestimmt noch ein paar nette Berichte aus Darjeeling geben wird 🙂
Grüße aus dem November 2010 😀

 

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